Psychologie spielt auch bei Wahlen eine wichtige Rolle – und auch bei der anstehenden Präsidentschaftswahl in den USA. Daher aus aktuellem Anlass zehn psychologische Fakten über Wahlen.
1. Worte motivieren zum Wahlgang…
Christopher Bryan von der Universität Stanford fragte vor der Präsidentschaftswahl 2008 für eine Studie Bürger in Kalifornien, ob sie ihr Kreuzchen machen wollten. Gruppe A sprach er als „Wähler“ an, Gruppe B mittels des Verbs „wählen“. Und siehe da: Gruppe A ging wesentlich häufiger zur Wahl. Offenbar erhöhte das Wort „Wähler“ den Wunsch danach, eine solche Rolle anzunehmen.
2. …aber auch Facebook
Das soziale Netzwerk erlaubt nicht nur globale Kommunikation, sondern auch faszinierende Experimente. Für seine Studie ließ Robert Bond von der Universität von Kalifornien in San Diego etwa 60 Millionen Facebook-Nutzern am Tag der US-Kongresswahlen 2010 eine Erinnerung zukommen. Auf deren Neuigkeiten-Seite stand: „Today is Election Day“. Manche konnten außerdem auf einen Knopf namens „I Voted“ drücken, andere zusätzlich bis zu sechs ihrer Freunde sehen, die bereits wählen gegangen waren. Ergebnis: Sie gingen nicht nur häufiger wählen, sondern mobilisierten 60.000 Nutzer – und die wiederum beeinflussten durch einen Klick 280.000 weitere Nutzer zum Gang an die Wahlurne.
3. Tiefe Stimmen sind im Vorteil
Zur Wahl gehen ist das eine, sich für einen Kandidaten entscheiden etwas anderes. Laut einer Studie von Casey Klofstad von der Universität von Miami bevorzugen die Menschen vor allem Kandidaten mit tiefer Stimme. In dem Experiment lauschten Hunderte von Probanden einer Männer- und einer Frauenstimme, die einen Satz sagte: „Ich bitte Sie darum, im November für mich zu wählen“. Doch Klofstad hatte die Stimme vorab manipuliert – mal hatte er sie am Computer tiefer gedreht, mal künstlich höher. Nun sollten die Freiwilligen ihren Favoriten wählen – und sie entschieden sich wesentlich häufiger für die tiefere Stimme. Sowohl Männer als auch Frauen empfanden eine tiefere Stimme als kompetenter, stärker und vertrauenswürdiger.
4. Attraktivität ist vor allem Männern wichtig
Joan Chia von der Northwestern Universität ließ die Probanden seiner Studie Bilder von Politikern anschauen und danach bewerten. Zwar ließen sich sowohl Männer als auch Frauen von Kompetenz überzeugen. Männer allerdings wählten vor allem jene Politikerinnen, die sie attraktiv fanden. Frauen waren für jene Kandidaten, die ihnen zugänglich erschienen.
5. Wähler lassen sich von Nichtigkeiten beeinflussen
Zum Beispiel den Ausgang eines lokalen Sportereignisses. Das glaubt jedenfalls Andrew Healy von der Loyola Marymount University. Für seine Studie analysierte er die Ergebnisse von 62 Hochschul-Footballteams der Jahre 1964 bis 2008. Und dabei fand er heraus: Der Sieg des Lieblingsteams konnte die Punktzahl des Amtsinhabers um bis zu drei Prozentpunkte heben. Der Forscher vermutet, dass das Ergebnis vor allem für jene Wähler gilt, die sich erst kurz vor der Wahl für einen Kandidaten entscheiden – und bei guter Laune vor allem für den Amtsinhaber votieren.
6. Die Körpersprache wird überschätzt
So lautet zumindest das Fazit deutscher Forscher um Friederike Nagel. Für ihre Studie schauten 72 Personen das TV-Duell zwischen dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seiner Herausforderin Angela Merkel. Kaum zu glauben: Den Beobachtern waren verbale Aussagen wichtiger als non-verbale.
7. Wähler treffen Blitzentscheidungen
Alexander Todorov von der Princeton Universität glaubt: Die Wähler entscheiden schon innerhalb weniger Sekunden, ob sie einen Kandidaten kompetent finden oder nicht. So ging es jedenfalls den Probanden von Todorovs Studie. Mehr noch: Diese Blitzentscheidung konnte den tatsächlichen Gewinner ziemlich verlässlich vorhersagen.
8. Wahlwerbung zeigt körperliche Folgen
Zheng Wang von der Ohio State Universität ließ für eine Studie 15 Studenten im Oktober 2008 zwölf verschiedene TV-Werbespots schauen. Manche waren für den Republikaner John McCain, andere für den Demokraten Barack Obama. Wang kontrollierte währenddessen, wie die Probanden körperlich reagieren. Und siehe da: Wenn sie einen Werbespot ihres Favoriten sahen, reagierte ihr Körper wesentlich stärker.
9. Wahlergebnis wirkt sich auf die Spenden aus…
Michele Margolis und Michael Sances vom Massachusetts Institute of Technology werteten für eine kürzlich erschienene Studie Daten der amerikanischen Steuerbehörde aus. Dabei fanden sie heraus: War gerade ein Republikaner US-Präsident, spendeten die Bürger in republikanischen Staaten mehr Geld für wohltätige Zwecke. War der Präsident von der demokratischen Partei, spendeten die Menschen in demokratisch geprägten Bundesstaaten mehr.
10. …und auf den Pornokonsum
Ja, richtig gelesen – und das Ergebnis einer Untersuchung des Forscherehepaares Patrick und Charlotte Markey. Demnach gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ausgang einer Wahl und dem Besuch von Pornoseiten im Internet. Wer für den Gewinner gestimmt hat, besucht nach der Bekanntgabe mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Sexwebsite. Angeblich steigt unser Testosterongehalt, wenn wir unser Kreuzchen für den Sieger gemacht haben – und dadurch besuchen wir eher eine Pornoseite.
Quellen:
1. Christopher J. Bryan et al (2011). Motivating voter turnout by invoking the self. Proceedings of the National Academy of Sciences
2. Robert M. Bond (2012). A 61-million-person experiment in social influence and political mobilization. Nature, Ausgabe 489, Seite 295-298
3. Casey Klofstad, Rindy Anderson und Susan Peters (2012). Sounds like a winner: voice pitch influences perception of leadership capacity in both men and women. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, Band 279, Nummer 1738, Seite 2698-2704.
4. Joan Chia, Nicholas Bowman und Harleen Gill (2009). The political gender gap: gender bias in facial inferences that predict voting behavior. PLoS ONE
5. Andrew Healy, Neil Malhotra und Cecilia Hyunjung Mo. Irrelevant events affect voters‘ evaluations of government performance. Proceedings of the National Academy of Sciences, Band 107, Nummer 29, Seite 12804-12809.
6. Friederike Nagel, Marcus Maurer und Carsten Reinemann (2012). Is There a Visual Dominance in Political Communication? How Verbal, Visual, and Vocal Communication Shape Viewers‘ Impressions of Political Candidates. Journal of Communication, Band 62, Nummer 5, Seite 833-850.
7. Alexander Todorov et al (2005). Inferences of competence from faces predict election outcomes. Science, Ausgabe 308, Seite 1623-1626
8. Zheng Wang, Alissa Morey und Jatin Srivastava (2012). Motivated Selective Attention During Political Ad Processing: The Dynamic Interplay Between Emotional Ad Content and Candidate Evaluation. Communication Research
9. Michele Margolis und Michael Sances (2012). Who Really Gives? Partisanship and Charitable Giving in the United States
10. Patrick Markey und Charlotte Markey (2010). Changes in pornography-seeking behaviors following political elections: an examination of the challenge hypothesis. Evolution & Human Behavior, Band 31, Ausgabe 6, Seite 442-446