Beratungsresistenz – Warum Teams falsche Entscheidungen treffen

Egal ob im Beruf oder im Privatleben – viele Entscheidungen treffen wir lieber mit anderen zusammen. Doch dieser Hang zum Rudeldenken birgt auch Gefahren: Laut einer neuen Studie neigen Gruppen zur Beratungsresistenz.

Wie hoch ist der Prozentsatz der Amerikaner, die Haustiere besitzen? Wie viele US-Kongressabgeordnete sind katholisch? Und wie hoch war die Wahlbeteiligung bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2008?

Zugegeben, die korrekten Antworten auf diese Fragen weiß kaum jemand. Mal angenommen, Sie müssten die Fragen beantworten – würden Sie das lieber alleine tun oder mit jemandem zusammen? Und würden Sie nach der Beratung im Team noch auf den Rat eines Dritten hören?

Tatsache ist: Im Alltag treffen wir viele Entscheidungen lieber erst, nachdem wir uns mit anderen beraten haben. Dahinter steckt die Annahme, dass Gruppenentscheidungen besser sind als individuelle. Der Grund: Einem Beschluss, den wir in der Gruppe fassen, vertrauen wir stärker – doch diese Selbstsicherheit hat bisweilen einen hohen Preis. Denn sie hält uns davon ab, auf den Rat von anderen zu hören.

Zu diesem Fazit kommen Julia Minson und Jennifer Mueller von der Wharton Business School. In ihrer neuen Studie stellten sie 252 Studenten insgesamt neun Fragen – darunter auch jene nach dem Anteil der Amerikaner mit Haustieren oder der Wahlbeteiligung im Jahr 2008. Vorab durften sie entscheiden, ob sie die Antworten lieber alleine abgeben wollten, oder ob sie sich mit einem Spielpartner beraten wollten.

Nach Abgabe der Antworten wurden ihnen die Schätzungen anderer Teams vorgelegt. Nun hatten sie die Möglichkeit, ihre Antworten noch mal zu revidieren. Und zu guter Letzt sollten sie angeben, wie sicher sie sich waren, dass ihre Antwort nicht weiter als zehn Prozentpunkte von der korrekten Lösung entfernt war.

Wenig überraschend: Die Teams waren sich ihrer Sache deutlich sicherer. Und das zurecht, denn ihre Antworten waren tatsächlicher näher an der Wahrheit. Im Schnitt lagen die Teams um 40 Prozentpunkte daneben, die Einzelkämpfer hingegen um 45 Prozentpunkte.

Doch das eigentlich Interessante kommt erst jetzt: Wie von den Wissenschaftlerinnen vorhergesagt, neigten die Teams deutlich häufiger zur Sturheit. Im Schnitt beugten sie sich dem Rat einer externen Stimme nur in knapp 20 Prozent der Fälle. Die Einzelkämpfer hörten dagegen in 32 Prozent auf den äußeren Ratgeber.

Und dadurch verschenkten die Gruppen die Möglichkeit, ihre Antwort noch mal zu verbessern – denn am Schluss waren ihre Schätzungen nicht besser. Mit anderen Worten: Die Teams hatten ihren Vorsprung eingebüßt. Einfach deshalb, weil die Einzelkämpfer sich Rat geholt und ihre Antworten dadurch verbessert hatten.

Minson versteht ihre Studie nicht als generelles Argument gegen Teamwork. Stattdessen solle sich jeder darüber im Klaren sein, dass Gruppenarbeit auch Nachteile habe. Denn sie führe allzu schnell zu Selbstüberschätzung und Beratungsresistenz.

Die Studie bestätigt demnach die alte Kalenderweisheit: Viele Köche verderben den Brei – weil sie nicht auf den Rat eines anderen, unbeteiligten Kochs hören.

Quelle:
Julia A. Minson und Jennifer S. Mueller (in press). The cost of collaboration: Why joint decision-making exacerbates rejection of outside information. In: Psychological Science.

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