Der Barnum-Effekt – Warum glauben wir Horoskopen?

Menschen neigen dazu, allgemeingültige Aussagen auf sich zu beziehen und im Heuhaufen der Binsen nach der Nadel eigener Charaktereigenschaften zu suchen. Deshalb glauben so viele an Horoskope – sie fallen auf den Barnum-Effekt rein.

Phineas Taylor Barnum war ein amerikanischer Zirkuspionier des 19. Jahrhunderts – und ein wahres Marketinggenie. Er tingelte mit verschiedenen Wanderzirkussen durch die USA und legte dabei besonderen Wert auf Vielfalt: Es gab eine Ausstellung mit ausgestopften Vögeln und Mumien, einen Bauchredner, Zwerge und Riesen sowie Schlangen, Hunde und Affen. Jedem Besucher wollte Barnum etwas Passendes bieten. Keiner sollte hinterher sagen können, dass der Zirkus seinen Geschmack nicht getroffen hätte. Und mit diesem Konzept war er außerordentlich erfolgreich.

Den Begriff Barnum-Effekt prägte ein paar Dekaden später, in den Fünfzigerjahren, der amerikanische Psychologe Paul Meehl. Zuvor trug das Phänomen den Namen Forer-Effekt – nach dem gleichnamigen Psychologie-Professor Bertram Forer.

Dieser gaukelte seinen Studenten in einer Studie (.pdf) 1948 vor, sie nähmen an einem Persönlichkeitstest teil. Nachdem alle die Fragen beantwortet hatten, legte er ihnen eine angebliche Auswertung vor, deren Wahrheitsgehalt sie von 0 (überhaupt nicht zutreffend) bis 5 (sehr zutreffend) bewerten sollten.

Was die Studenten nicht wussten: Forer hatte allen ein und denselben Text gegeben. Darin enthalten: allerlei Allgemeinplätze wie „Sie sind tendenziell selbstkritisch“, „Sie überprüfen die Aussagen von anderen, bevor Sie sie glauben“ oder „Einige Ihrer Ziele sind eher unrealistisch“. Ergebnis: Im Schnitt vergaben Forers Studenten über vier Punkte.

Seltsam? Nein, gar nicht, resümierte Forer – und nach ihm zahlreiche weitere Psychologen, die das Experiment wiederholten. Wir Menschen neigen nämlich dazu, allgemeingültige Aus- sagen auf uns zu beziehen. Wir suchen sozusagen nach unserer eigenen Nadel im Heuhaufen der Charaktereigenschaften. Dieses Prinzip lässt sich ständig im Alltag beobachten. Denken Sie nur an die vielen Horoskope, die täglich in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt werden. Was steht da nicht alles drin?

In finanzieller Hinsicht haben Sie in der letzten Zeit einige kleine Rückschläge verkraften müssen, keine Angst, es geht bald wieder bergauf. Harmonische Stunden zu zweit sind genau das Richtige für Ihre Beziehung, die Liebessterne stehen gut dafür. Spielen Sie im Beruf etwas mehr Ihre wahren Stärken aus, und lassen Sie sich nicht zu leicht von Ihren Zielen abbringen, das könnte Probleme verursachen. Ihre Gesundheit sollten Sie in der nächsten Zeit etwas mehr schonen, Sie brauchen Ihre Power. Gesunde Ernährung, viel Ruhe und möglichst viel Schlaf sind jetzt wichtig, um weiterhin fit zu bleiben.

Na? Könnten Sie sofort sagen, ob dies ein Horoskop für Jungfrauen, Löwen, Stiere oder Wassermänner ist? Oder trifft das zufällig auch auf Ihre Lebenssituation zu?

So zufällig wäre das gar nicht. Es ist vielmehr das trickreiche Spiel mit dem Barnum-Effekt, der Leichtgläubigkeit der Menschen und ihrer Sehnsucht, etwas Passendes über sich zu erfahren. Jedes Mal, wenn man Ihnen solche Allgemeinplätze serviert, sollten Sie lieber skeptisch werden und dem spontanen Zustimmungsreiz widerstehen.

So zum Beispiel beim Einkaufen neuer Klamotten – etwa wenn Ihnen die Verkäuferin zulächelt und sagt: „Also Sie können das tragen!“

 

Der Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Ich denke, also spinn ich“, das ich gemeinsam mit meinem Freund und Kollegen Jochen Mai geschrieben habe.

12 Kommentare

  1. Kritische Frage: Wenn die Fragen „allgemeingültig“ sind, ist ja klar, dass diese Fragen primär positiv beantwortet werden. Gibt es denn einen Test der belegt, dass wir trotz nicht zustimmendem allgemeinen Merkmal dazu neigen, die Frage für uns zu bejahen?
    Wenn ja, liegt das dann an der Allgemeingültigkeit oder am Drang nach Gemeinschaftlichkeit? 😉

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