Ein gesundes Selbstbewusstsein sorgt nicht nur für seelische Stabilität. Einer neuen Studie zufolge verbessert es auch die Leistung – weil das Gehirn sensibler für Fehler ist. Sogar messbar.
Eigentlich ist alles ganz einfach. Wir wollen uns selbst in einem positiven Licht sehen. Wir wollen vernünftig handeln, moralisch und intelligent. Trotzdem verletzen wir diese Prinzipien regelmäßig.
Zigaretten sind gesundheitlicher Irrsinn, Schokolade macht dick, Fremdgehen gehört sich nicht. Und trotzdem rauchen Menschen, andere essen zu viel oder betrügen ihren Partner.
Die Gründe mögen unterschiedlich sein, das Ende ist immer gleich: Man fühlt sich schlecht – und dieses Unbehagen nennen Psychologen kognitive Dissonanz. Denn es gibt ein Missverhältnis zwischen den Erwartungen und dem Verhalten.
Zum Glück hat sich der Mensch einige raffinierte Techniken überlegt, mit dieser Dissonanz umzugehen. Naheliegend wäre es, sein Verhalten zu ändern. Aber das ist häufig anstrengend. Viel bequemer ist es, sein Verhalten zu rechtfertigen. Und hier kommt die Theorie der Selbstwertbestätigung ins Spiel.
Deren Entdecker ist der US-Psychologe Claude Steele. Und seine Theorie besagt: Wir können Dissonanz verringern, indem wir uns auf eine andere Fähigkeit konzentrieren. Nehmen wir das Beispiel Rauchen. Jeder Raucher weiß, dass er seiner Gesundheit damit keinen Gefallen tut. Ein typisches Beispiel für Selbstwertbestätigung wären nun ein Geständnis à la: „Ja, ich qualme gerne. Aber ich kann übrigens fantastisch kochen.“
Sie sehen schon: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Aber indem wir uns auf die Stärke beim Kochen konzentrieren, reduzieren wir die Dissonanz des Rauchens. Ziemlich praktisch: Wir müssen unser Verhalten nicht ändern, sondern steigern unser Wohlbefinden gewissermaßen indirekt.
Und auf dieses Ego-Doping reagiert sogar unser Gehirn. So lautet zumindest Fazit einer neuen Studie von Psychologen um Lisa Legault von der Clarkson Universität im US-Bundesstaat New York.
Wichtige Werte
Für ihre Experiment teilte sie 38 Studenten in zwei Gruppen. Die einen sollten nun sechs Wertvorstellungen notieren, die ihnen wichtig waren – egal ob religiöse, politische oder ökonomische – , und in eine Reihenfolge bringen. Von eins (sehr wichtig) bis sechs (nicht ganz so wichtig). Dann sollten sie fünf Minuten lang einen Text darüber schreiben, warum ihnen das Ideal auf Platz Eins so wichtig war.
Die andere Gruppe sollte ebenfalls sechs Werte in eine Reihenfolge bringen. Allerdings sollten sie nun darüber schreiben, warum ihnen das Ideal auf dem ersten Platz vielleicht doch nicht ganz so wichtig war.
Mit anderen Worten: Gruppe A konnte ihren Selbstwert bestätigen, indem sie sich mit ihren wichtigsten Idealen beschäftigte. Gruppe B hingegen erreichte genau das Gegenteil – sie argumentierte quasi gegen ihre eigenen Ideale und unterminierte so ihren Selbstwert. Und das wirkte sich nun auf ihr Verhalten aus.
Im Anschluss setzten sich alle Probanden vor einen Monitor. Immer wenn der Buchstabe „M“ auftauchte, sollten sie einen Knopf drücken. Sahen sie ein „W“, sollten sie nicht drücken. Eigentlich ziemlich simpel. Aber da sich die beiden Buchstaben so ähnlich sind, machen die Testpersonen regelmäßig Fehler. Und die bemerkten auch Legaults Freiwillige sofort. Unmittelbar nach einem Fehler sahen sie auf dem Bildschirm ein Wort: „Falsch!“
Richtige Reaktion
Während des Versuchs waren sie an ein Elektroenzephalogramm (EEG) angeschlossen. Dabei werden Elektroden am Schädel befestigt, um die elektrische Aktivität im Gehirn aufzuzeichnen.
Nun weiß man aus früheren Versuchen, dass es bei falschen Antworten zur so genannten „error-related negativity“ kommt. Vereinfacht gesagt handelt es sich hierbei um eine körpereigene Fehlerkontrolle.
Wer eine Aufgabe lösen muss, will möglichst viel richtig machen. Ein Fehler widerspricht den Erwartungen. Und diese Diskrepanz macht sich auch im Gehirn bemerkbar. Im Falle einer richtigen Antwort würden die Neurone im Mittelhirn den Botenstoff Dopamin ausschütten. Doch bei einem Fehler bleibt das aus – und das lässt sich im EEG nachvollziehen.
Doch in Legaults Experiment zeigte sich die Macht des Selbstwertes: Die Mitglieder von Gruppe A machten nicht nur wesentlich weniger Fehler. Wenn sie doch einen begingen, dann reagierte ihr Gehirn wesentlich schneller als jenes von Gruppe B.
Offenbar verbessert ein höherer Selbstwert nicht nur die Leistung, sondern macht das Gehirn auch sensibler für Fehler – was sich wiederum positiv auf die Leistung auswirkt.
Quellen:
Lisa Legault, Timour Al-Khindi und Michael Inzlicht (2012). Preserving Integrity in the Face of Performance Threat: Self-Affirmation Enhances Neurophysiological Responsiveness to Errors. Psychological Science.