Elektrisches Gefühl – Glück bringt Unglück

Die meisten Menschen streben nach Glück – so weit, so normal. Glaubt man einer neuen Untersuchung, hat die ständige Suche nach Zufriedenheit jedoch auch zahlreiche Nachteile.

Die positiven Aspekte von Glück und Zufriedenheit sind von zahlreichen Wissenschaftlern dutzendfach belegt worden. Wer glücklich ist, lebt tendenziell länger und gesünder, verhält sich sozialer, hat bessere Laune und wird seltener krank. Durch diese Erkenntnisse könnte man auf die Idee kommen, dass Glück immer von Vorteil ist und wir ständig danach streben sollten. Von wegen!

Genau dieses ewige Suchen nach Glück kann unglücklich machen. Das zumindest behaupten amerikanische Wissenschaftler um June Gruber von der Yale Universität in einer neuen Studie (.pdf) mit dem schönen Titel „A Dark Side of Happiness?“.

Gemeinsam mit ihren Kolleginnen Iris Mauss (Denver) und Maya Tamir (Jerusalem) wertete sie zahlreiche Arbeiten aus, die sich mit den positiven und negativen Aspekten der Glückssuche beschäftigten – und dabei sind Gruber vor allem vier Aspekte eingefallen, warum Glück manchmal auch schlecht sein kann.

1. Überdosis Glück
Der deutsche Volksmund weiß es schon lange: „Man kann es mit allem übertreiben.“ Laut Gruber und Co. gilt das auch für Glücksgefühle – vor allem aus zwei Gründen: Zum einen profitieren wir nur bis zu einem gewissen Grad von der Li-La-Laune, irgendwann können wir schlicht nicht noch glücklicher sein. Zum anderen ist der Grat zwischen Glück und Euphorie äußerst schmal – und wenn wir ihn überschreiten, neigen wir zu unvorsichtigem oder gar riskantem Verhalten, etwa weil wir Gefahren falsch einschätzen. Schlimmstenfalls können sich solche übertriebenen Glückszustände bis hinzu Manien auswirken. Die Dosis macht eben das Gift.

2. Falscher Zeitpunkt
Unsere Emotionen sind eine Reaktion auf bestimmte Ereignisse: Wer ein Ziel erreicht, empfindet Freude; im Angesicht einer Bedrohung haben wir Angst, bei unfairer Behandlung werden wir wütend. Diese Gefühle warnen den Körper bisweilen vor anstehenden Gefahren und Risiken – sei es durch feindlich gesinnte Kollegen oder einen entgegenkommenden Zug. Forscher haben inzwischen jedoch bewiesen, dass unsere inneren Sensoren beeinträchtigt werden, wenn wir besonders gute Laune haben. Dann sind wir gutgläubiger, unvorsichtiger und irrationaler – mit bisweilen ernsten Konsequenzen. Will sagen: Manchmal haben negative Gefühle wie Angst, Wut und Traurigkeit größere Vorteile als Glück und Zufriedenheit.

3. Unglückliche Glückssuche
Ziele erreichen zu wollen sind okay. Nicht okay ist es jedoch, wenn wir uns zu sehr auf sie versteifen. Gar nicht okay ist es, wenn wir enttäuscht sind, wenn wir sie nicht erreichen. So ist es nunmal: Je mehr wir etwas wollen, desto trauriger sind wir, wenn wir es nicht bekommen. Beim Glück verhält es sich genauso. Je mehr wir nach Zufriedenheit streben, desto schlechter geht es uns, wenn wir das Glück nicht finden – oder zumindest das, was wir uns darunter vorgestellt haben. Was dagegen hilft? Gruber rät, negative Gefühle schlicht zu akzeptieren. Denn dann konzentrieren wir uns im Endeffekt weniger auf sie – und werden schneller wieder glücklich.

4. Unpassende Glücksgefühle
Glück ist gut für unser Wohlbefinden – so zumindest eine weit verbreitete Annahme. Dabei vergessen wir, dass uns manche Glücksgefühle nur auf den ersten Blick nützen – übertriebener Stolz etwa, der sich im Nachhinein rächt. Dabei sind es oft die vermeintlich negativen Gefühle wie Scham und Schuldbewusstsein, die erst dazu beitragen, dass wir mit anderen kooperieren, uns sozial verhalten und an unseren schlechten Seiten arbeiten.

June Gruber vergleicht das Streben nach Glück mit Essen. Auch das müsse regelmäßig sein – aber eben nicht im Überfluss. Oder anders gesagt: Nur wer Hunger kennt, kann Essen richtig genießen.

 

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