Gedanklicher Appetitzügler – Hunger lässt sich manipulieren

Jedes Jahr dasselbe: In der Weihnachtszeit locken süße Plätzchen und saftige Braten – und spätestens nach Silvester ärgern sich viele über die zusätzlichen Pfunde. Dabei könnte laut einer neuen Studie schon ein simpler Trick helfen.

Ob und wieviel wir essen, ist von vielen Faktoren abhängig. In den vergangenen Jahrzehnten haben Wissenschaftler vor allem zwei Hirnregionen ausfindig gemacht, die unser Hungergefühl steuern.

Der Hippocampus ist vor allem dafür zuständig, Erinnerungen aus dem Kurz- ins Langzeitgedächtnis zu überführen. Der Hypothalamus wiederum informiert den Hippocampus auch darüber, ob wir hungrig oder satt sind.

Bereits in den Vierzigerjahren entdeckten zwei US-Forscher in einer Studie mit Ratten, dass Störungen im Hypothalamus fatale Konsequenzen hatte: Die Nager empfanden kein Sättigungsgefühl und überfraßen sich – die so genannte Hyperphagie.

Doch inzwischen mehren sich die Hinweise, dass bei unserer Nahrungsaufnahme auch psychologische Faktoren eine Rolle spielen. Das bestätigt auch eine neue Studie von Jeffrey Brunstrom von der Universität von Bristol.

Er kredenzte 140 Testpersonen eine warme Tomatensuppe. Doch zuvor teilte er die Probanden in zwei Gruppen: Die einen sahen eine Portion von 300 Millilitern Suppe, die anderen eine Portion mit 500 Millilitern.

Nun setzten sich alle hin und begannen, die Suppe zu löffeln. Allerdings hatte Brunstrom die Schüsseln manipuliert.

Ohne dass die Teilnehmer es ahnten, befand sich unter dem Tisch ein kleiner Schlauch. Den nutzte Brunstrom dazu, bei der einen Hälfte heimlich Suppe nachzufüllen. Bei der anderen pumpte er sachte Suppe ab. Der Sinn der Sache: Die eine Gruppe aß unbewusst mehr, die andere weniger.

Nun sollten alle angeben, wie satt sie die Suppe gemacht hatte – und zwar an verschiedenen Zeitpunkten. Unmittelbar danach, aber auch eine Stunde nach dem Verzehr sowie zwei und Stunden später.

Wenig überraschend: Direkt nach dem letzten Löffel entsprach die Sättigung der verzehrten Menge. Will sagen: Wer mehr Suppe gegessen hatte, war auch satt. Aber zwei Stunden später war dieser Effekt verpufft.

Denn tatsächlich: Jene Teilnehmer, die vor dem Verzehr die Portion mit 500 Millilitern gesehen hatten, empfanden nun ein größeres Sättigungsgefühl. Sogar 24 Stunden später gingen sie davon aus, dass ihre Portion sie gesättigt hatte – und das, obwohl viele von ihnen in Wahrheit ja nur 300 Milliliter verzehrt hatten.

Offenbar sorgte allein der Glaube daran, eine große Portion verzehrt zu haben, für größere Sättigung. Mit anderen Worten: Die Erinnerung manipulierte das Hungergefühl.

Quelle:
Jeffrey M. Brunstrom et al (2012). Episodic Memory and Appetite Regulation in Humans, PLoS One, Band 7, Ausgabe 12, e50707

8 Kommentare

  1. Danke für den Artikel! Das Experiment geht ja noch hinaus über die von Wansink beschriebenen Studien. Der Gedächtniseffekt ist hochinteressant. Ich befürchte jedoch, dass es sich um einen Nebenkriegsschauplatz handelt und das Essen leider weniger mit Hunger, denn mit Ablenkung, Belohnung, Trost und Beruhigung zu tun hat. Hier ist nach meiner Erfahrung der größere Hebel beim vernünftigen Essen.

  2. Hey, genau das, was Patricia anspricht, ging mir auch durch den Kopf: Der Tipp mit dem kleiner Geschirr (kommt, glaube ich, sogar aus einer Sendung von Ranga Yogeshwar). Klappt nämlich bei uns in der Familie überhaupt nicht: Die fünf Männers wollen große, am Liebsten sehr große, Teller. Da ist die Idee mit dem flach anrichten vielleicht ein ganz guter Ansatz.

  3. Interessante Studie.
    In diesem Zusammenhang bedenklich ist die oft gehörte Empfehlung, kleine Teller zu benutzen. Könnte das Gegenteil bewirken!
    Eine leicht zu verwirklichende Methode mit „Optisch-Viel-Effekt“ wäre das sehr flache Anrichten der Speisen auf einem möglichst großen und natürlich vorgewärmten Teller.

  4. @Schulze: Gar nicht, das haben die gebastelt – „Soup was added or removed from a transparent soup bowl using a peristaltic pump“ 🙂

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