Niemand ist gern allein – außer vielleicht ein paar Sonderlingen. Die meisten brauchen andere Menschen, um glücklich zu sein. Eine neue Studie zeigt: Der Wunsch nach Gemeinschaft kann uns sogar motivieren.
„Keine menschliche Eigenschaft ist erstaunlicher als unser Drang, mit anderen zu sympathisieren“, schrieb der britische Philosoph und Ökonom David Hume bereits im 18. Jahrhundert in seinem „Traktat über die menschliche Natur“. Damit nahm er vorweg, was zahlreiche Psychologen in den vergangenen Jahren bestätigen konnten: Kaum jemand legt es bewusst darauf an, den einsamen Wolf zu spielen. Stattdessen gehört das Bedürfnis nach sozialen Bindungen zu unseren mächtigsten Antreibern – ganz gleich ob im Berufs- oder Privatleben.
Wie mächtig und wirksam dieser Wunsch nach Zugehörigkeit ist, beweist nun auch eine neue Studie, die in einer kommenden Ausgabe der Fachzeitschrift „Journal of Personality and Social Psychology“ erscheinen wird.
Psychologen um Gregory Walton von der Universität Stanford dachten sich dafür vier Experimente aus. Für den ersten Versuch gewann Walton 43 Frauen und 29 Männer, die alle zumindest ein gewisses Interesse an Mathematik hatten.
Zunächst teilte Walton die Teilnehmer in drei Gruppen. Zwei Gruppen lasen einen fast identischen Text. Darin schilderte ein Mathematik-Absolvent sein gerade beendetes Studium. Die beiden Texte unterschieden sich lediglich durch die Schilderung der Fakultät. Gruppe A erfuhr, dass der Absolvent an einer Fakultät studiert hatte, die vor allem die individuellen Fähigkeiten und Interessen der Studenten fördern wollte. Gruppe B hingegen las von einer Fakultät, die hohen Wert auf Kooperation, Zusammenarbeit und freundlichen Umgang legte.
Man könnte auch sagen: Jener Fakultät waren soziale Bindungen und ein Gefühl der Zugehörigkeit wichtiger. Dieser Eindruck wurde durch ein Foto verstärkt. Gruppe A sah lediglich ein Foto des Studenten, Gruppe B blickte auf ein Bild des Studenten mit einem Mentor. Eine dritte Gruppe diente als Kontrollgruppe, sie las keinen Text.
Nun legte Walton allen ein Mathequiz vor, das in Wahrheit unlösbar war – was er ihnen natürlich nicht sagte. Denn er wollte herausfinden, wie eifrig die Probanden dabei zu Werke gingen. Und vor allem: ob die unterschiedliche Lektüre sich auf den Eifer der Teilnehmer auswirkte. Aber hallo. Die Freiwilligen aus Gruppe B widmeten sich der Aufgabe im Schnitt elf Minuten, Gruppe A beendete das Rätsel bereits nach knapp acht Minuten. Die Kontrollgruppe gab nach etwa sechs Minuten auf.
Außerdem fragten die Wissenschaftler die Teilnehmer auch, wie interessiert sie an Mathematik waren. Und siehe da: Wieder hatte Gruppe B die mit Abstand höchste Motivation – unabhängig davon, ob sie auch im wahren Leben echte Mathefreaks waren, sich dort besonders gut auskannten oder herausragende Noten schrieben.
Entscheidender Auslöser
Der entscheidende Auslöser war offenbar die Lektüre des Textes. Die Freiwilligen aus Gruppe B hatten dort ja erfahren, dass sie an der Fakultät eben nicht nur pauken und an ihren individuellen Fähigkeiten arbeiten konnten; sondern dass sie dort auch in der Lage wären, ihre sozialen Bindungen zu stärken – und genau das steigerte ihre Motivation.
Denselben Mechanismus fanden die Wissenschaftler auch in drei weiteren Experimenten. In einem lasen die Probanden wieder einen Text, genauso wie im ersten Versuch. Wieder schilderte ein Absolvent sein Studium, wieder waren die Texte identisch – bis auf einen entscheidenden Unterschied: Den Probanden von Gruppe A wurde vorgegaukelt, dass der Autor am selben Tag Geburtstag habe wie sie. Ergebnis: Sie engagierten sich im anschließenden Mathetest am stärksten.
Auch wenn es trivial klingt: Der Geburtstag einer Person ist Teil ihrer Identität. Wer also mit jemandem einen Geburtstag teilt, der baut zumindest eine gewisse Bindung zu ihm auf. Und daher ist er eher dazu bereit, ihm nachzueifern – in diesem Fall eben im Lösen einer Mathematikaufgabe.
„Ein Gemeinschaftsgefühl steigert die Motivation“, resümiert Gregory Walton. Denn Menschen seien daran interessiert, soziale Bindungen zu formen und aufrecht zu erhalten, zumal die Zugehörigkeit zu einer Gruppe das Selbstwertgefühl steigere – und wer gemeinsame Interessen und Ziele hat, der stärkt diese Bindungen.
Genau hier sieht Walton auch eine Lektion für Führungskräfte. Sie sollten bei der täglichen Arbeit vor allem auf das Zugehörigkeitsgefühl achten – denn das steigere die Motivation und den Ehrgeiz der Beschäftigten. Und zwar stärker, als wenn jeder nur an seiner eigenen Entwicklung interessiert ist.
Quelle:
Walton, Gregory M., et al. Mere belonging: The power of social connections. Journal of Personality and Social Psychology.
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