Bei Hitze helfen Menschen eher Mitmenschen aus ihrem eigenen Kulturkreis – und weniger solchen aus fremden Kulturen.
Es ist derzeit, Ende Mai, relativ einfach, jeden Morgen schlechte Laune zu bekommen – man muss nur in die Wettervorhersage schauen. Von einem warmen Frühling ist jedenfalls derzeit noch nicht allzu viel zu spüren. Aber das ist vielleicht auch besser so.
So lässt sich jedenfalls eine Studie verstehen, die neulich im Journal „Political Science Research and Methods“ erschienen ist. Daran beteiligt war auch der gebürtige deutsche Politikwissenschaftler Mathias Poertner – und so ist es wohl kein Zufall, dass die Experimente für die Studie in Deutschland stattfanden.
Und so lief es ab.
Das Forscherteam schickte im Sommer 2018 und Sommer 2019 verschiedene Frauen an insgesamt 30 deutsche Bahnhöfe in vier Bundesländern: in NRW, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Die Frauen unterschieden sich allerdings voneinander – und zwar durch ihre Kleidung. Die eine Hälfte der Frauen war völlig unauffällig gekleidet, so wie, nun ja: eine typische Deutsche. Die andere Hälfte der Frauen trug auf dem Kopf ein Hidschāb, also: ein Kopftuch.
Alle Frauen stellten sich nun auf den Bahnsteig bewusst vor Bänke, auf denen andere Menschen saßen. Dann fingen sie an, auf dem Handy zu telefonieren. In der anderen Hand hielten sie eine Papiertüte. Und daraus purzelten nun während des Telefonats Orangen oder Zitronen, weil die Tüte offenbar ein Loch hatte. Das Obst verteilte sich auf dem Boden.
Der Sinn der Sache: Die Forscher um Poertner wollten herausfinden: Würden die umstehenden Personen den Frauen helfen oder nicht?
Insgesamt beobachten die Forscher knapp 1800 Fälle mit 5200 anderen Passanten.
Und siehe da: Es gab einen Zusammenhang zwischen der Außentemperatur und der Hilfsbereitschaft – und dieser lässt für den Sommer nichts Gutes erahnen.
Denn: Je wärmer es draußen war, desto eher halfen die umstehenden Passant*innen der typisch deutsch aussehenden Frau. Aber: desto weniger halfen sie der muslimisch aussehenden Frau – und zwar unabhängig von der Stadt, der Tageszeit oder der Zahl der Passant*innen.
Die Forscher schreiben: „Hohe Temperaturen führen dazu, dass die einheimische Bevölkerung die muslimische Bevölkerung im Alltag stärker diskriminiert.“ Aber wieso?
Erklären lässt es sich mit dem ingroup bias. Der besagt: Menschen bevorzugen Menschen aus ihrer eigenen Bezugsgruppe. Und die Studie zeigt: Offenbar gibt es dafür auch physiologische Gründe.
Hilfsbereitschaft erfordert mitunter eine gewisse körperliche Anstrengung – und die leisten wir demnach bei hohen Temperaturen eher für Menschen, die uns nahestehen, durch welche Faktoren auch immer.
Und so hat der kalte Frühling dann vielleicht auch gute Seiten. Über zu große Hitze werden wir uns früher oder später ohnehin ärgern. Und über das Verhalten unserer Mitmenschen sowieso.