Für den Kölner Konsumpsychologen Stephan Grünewald kommt der Niedergang der Drogeriemarktkette Schlecker nicht überraschend – vor allem weibliche Kunde hätte die Atmosphäre in den Filialen abgeschreckt.
Herr Grünewald, kaufen Sie bei Schlecker ein?
Grünewald: Nein.
Wieso nicht?
Ich mag die Läden einfach nicht. Die Gänge sind sehr eng, man muss sich häufig bücken, um Produkte herauszufischen, das Licht könnte auch heller sein. Da gehe ich lieber zur Konkurrenz, da fühle ich mich wohler.
Liegt der Niedergang der Marke also nur an der Innenarchitektur der Filialen?
Das ist sicher ein Grund, aber nicht der wichtigste. Wir haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien erstellt und die Probanden gefragt, wie sie zu Schlecker stehen – und dabei kam deutlich zum Vorschein, dass die Marke ein massives Imageproblem hat.
Warum stand Schlecker bei den Verbrauchern denn so schlecht da? Es gibt doch auch andere Unternehmen, die durch Negativschlagzeilen aufgefallen sind.
Die gibt es, aber gerade im Bereich der Drogeriemärkte ist der Wohlfühlfaktor wichtig. Wer dort einkauft, dem geht es nicht ausschließlich um Schnäppchen. Der Kunde geht nicht nur dorthin, weil er beispielsweise Produkte zum Putzen braucht, sondern er sucht Inspiration, Sinnlichkeit und Wellness-Momente. Vor allem Frauen wollen sich beim Einkauf als Mensch erleben, der auch verführerische Seiten hat, und sie wollen Gleichgesinnte in der Filiale treffen.
Bei H&M ist den Konsumenten doch meist auch völlig egal, unter welchen Bedingungen die Produkte entstanden sind. Wieso nicht bei Schlecker?
Das kann man nicht vergleichen. Bei H&M findet man die neueste Mode und auch trendaffine Kunden. Bei Schlecker hatte man mitunter das Gefühl, in eine Schicksals-Gemeinschaft von Menschen einzutauchen, die unbedingt auf den Preis achten müssen.
Wobei es in den Filialen vieler Lebensmittel-Discounter ja auch nicht gerade einladend aussieht.
Das stimmt, aber das ist in dieser Branche auch sekundär. Nehmen wir das Beispiel Aldi: Das Unternehmen hat es geschafft, das Karge und Spartanische zu einer Tugend zu erklären und sich somit übergreifend an alle gesellschaftlichen Schichten zu wenden. Denn Aldi reduzierte für alle Einkäufer die Komplexität. Die seelische Kostenersparnis, seinen Einkauf in 20 Minuten erledigt zu haben, war ebenso wichtig wie die ökonomische Kostenersparnis. Die reduzierte Einrichtung war und ist bei Aldi Programm.
Bei Drogeriemärkten jedoch nicht.
Genau – wobei Schlecker sicher auch darunter zu leiden hatte, dass die direkten Konkurrenten dm und Rossmann hier völlig anders zu Werke gingen und den Wunsch vieler Menschen nach moralischen Werten in Krisenzeiten bedienten. Von dem Werbespruch „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein“ kann man halten, was man will – aber Tatsache ist, dass die Kunden das glauben. Zumal es von der dm-Unternehmensspitze um Götz Werner ja auch vorgelebt wird.
Hätte Schlecker sein Image überhaupt noch verbessern können?
Ich glaube schon, dass die neue Unternehmensspitze sehr motiviert war, das Ruder herumzureißen. Aber letztendlich war es wohl auch eine Frage des Geldes.
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