Lesenswert – Die zehn besten Artikel 2011

Es ist soweit: Weihnachten steht vor der Tür. Falls jemand in den kommenden Tagen Ablenkung von der Familie braucht – ich hätte da was: Hier meine Liste der zehn besten Artikel 2011.

Platz 10: Der Schlächter und sein Koch
Worum gehts?
Otonde Odera war Leibkoch des ugandischen Diktators und Massenmörders Idi Amin. Juan Moreno porträtiert Oderas Leben für den „Spiegel“.
Der erste Satz: Irgendwann Mitte des vergangenen Jahrhunderts stehen Idi Amin, der künftige Diktator Ugandas, und Otonde Odera, ein junger Bursche aus der Nähe von Kisumu in Kenia, vor wichtigen Entscheidungen.

Platz 9: „Alles kostet Geld, und auch mein Service kostet“
Worum gehts? Früher war Jürgen Fliege TV-Prediger und Talkshow-Moderator, heute scheint er sein Geld mit esoterischem Geschwurbel zu verdienen. Benjamin von Stuckrad-Barre hat Fliege für die „Welt“ getroffen – eine ebenso skurrile wie unterhaltsame Angelegenheit.
Der erste Satz: Nachts habe ich in Jürgen Flieges Keller den Fernseher umgeschmissen, nachdem ein Hochzeitspaar im fliegeschen Garten über Tote sprechen musste, aber es fing alles ganz harmlos an: mit einem offenen Gartentor, einem etwas zu langen Händedruck und einem Blick, dem ich nicht standhalten konnte, weil es sich anfühlte wie das Unterschreiben einer Einzugsermächtigung.

Platz 8: Der Sog der Masse
Worum gehts? Harald Martenstein ist nicht nur einer meiner Lieblingsautoren, sondern offenbar auch Hobby-Psychologe. In diesem „Zeit“-Essay versucht er nämlich zu ergründen, warum die Mehrheit der Menschen immer dem Mainstream hinterherdackelt.
Der erste Satz: Guido Westerwelle…?

Platz 7: Der Preis des Lebens
Worum gehts? Cornelia Schmergal ist meine Kollegin bei der „WirtschaftsWoche“ – und die meiner Ansicht nach beste Schreiberin der Redaktion. In diesem Text beschreibt sie die Lage von Menschen, die in Deutschland verzweifelt auf ein Spenderorgan warten.
Der erste Satz: Hinter der Schlafzimmertür faucht und gluckert eine Tonne aus Metall, so hoch und so kalt wie ein Kühlschrank.

Platz 6: Brüder im Geiste
Worum gehts?
Erwin Koch, ebenfalls einer meiner Lieblingsschreiber, ist Journalist und Schriftsteller. Seine Texte sind auf bewundernswerte Weise prosaisch. So auch dieses Doppelporträt im „Zeit“-Magazin: Wie ein früherer Werbegrafiker und ein ehemaliger Bäckergeselle beste Freunde wurden – in einem Kloster.
Der erste Satz: Es war kurz vor halb sechs, kalt und Nacht, als Gerhard Alig, vom Schlaf benommen, in den Oberen Chor der Kirche trat, der nur wenig beleuchtet war, und den Neuen sah, einen gewissen Marcel Bosshard aus New York oder Zürich oder so, von dem es hieß, er sei berühmt, Erfinder der lila Milka-Kuh.

Platz 5: Liebe Marie,
Worum gehts? Marie ist die Tochter von Henning Sußebach, preisgekrönter „Zeit“-Redakteur. In einem Brief versucht er ihr zu erklären, warum sie die Schule nicht allzu ernst nehmen sollte und worauf es im Leben ankommt. Sehr schöne Idee, noch schöner geschrieben.
Der erste Satz: Liebe Marie, erinnerst Du Dich noch an den Tag, an dem wir das letzte Mal im Kino waren?

Platz 4: Wir müssen reden
Worum gehts?
Fünf Redakteure des „SZ Magazins“ treffen sich in einem Kölner Brauhaus einen ganzen Tag lang mit verschiedenen Prominenten, darunter RTL-Moderator Peter Kloeppel, Autor Richard David Precht oder „Kiepenheuer & Witsch“-Chef Helge Malchow. Grandiose Idee, beste Unterhaltung – nicht nur für Kölner wie mich.
Der erste Satz: Köln, ein Freitagmittag im Dezember.

Platz 3: Die Riester-Bombe
Worum gehts?
Wolfgang Uchatius von der „Zeit“ hat die seltene Gabe, komplexe Zusammenhänge ebenso verständlich wie unterhaltsam aufzuschreiben. Dieser Text ist dafür das beste Beispiel: Hier schildert Uchatius, wie er eine Riester-Versicherung abschloss und herausfand, dass er damit indirekt Streubomben finanziert.
Der erste Satz: Neulich habe ich mir eine Streubombe gekauft, sie heißt CBU-105.

Platz 2: „Schrecklich frei von Erwartungen“
Worum gehts?
Manche Geschichten führen uns vor Augen, wie grausam und ungerecht das Leben manchmal ist. Der US-Professorin Emily Rapp wurde als Vierjährige das linke Bein amputiert. Heute ist sie Mutter des kleinen Ronan – der kam mit einer seltenen Krankheit auf die Welt, die innerhalb weniger Jahre zum Tod führt. Diese Geschichte aus dem „Zeit“-Magazin wird Sie vermutlich zu Tränen rühren. Lesen sollten Sie sie dennoch – oder gerade deswegen.
Der erste Satz: Mein Sohn Ronan sieht mich an und zieht eine Augenbraue hoch.

Platz 1: Das Versprechen
Worum gehts?
Wer träumt nicht von der einen, großen Liebe, die alle Widerstände überwindet und ewig hält? Die Großeltern von Nadine Ahr haben diese Liebe gefunden – doch jetzt ist Ahrs Oma dement, und ihr Opa geht an ihrem Verfall fast zugrunde. Die Enkelin hat die Geschichte ihrer Großeltern für die „Zeit“ aufgeschrieben. Wenn dieser Artikel keinen Preis gewinnt, dann weiß ich auch nicht.
Der erste Satz:
Als ihm klar wird, dass es keinen Ausweg mehr gibt, trinkt er sich Mut an.

Ich wünsche allen Lesern ein frohes, gesundes, glückliches und erholsames Weihnachtsfest! Die Alltagsforschung gönnt sich auch ein paar Tage Ruhe – und meldet sich nach Weihnachten wieder zurück.

Auf Wiederlesen!

 

 

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