Mächtiger Eindruck – Selbstüberschätzung steigert das Ansehen

Der Hang zur Hybris hat Vorteile: Menschen mit hoher Selbstüberschätzung werden von anderen kompetenter eingeschätzt – und sichern sich dadurch Ansehen, Macht und Einfluss.

Es gibt diese Personen, die einen Raum betreten und ihn sofort für sich einnehmen. Bei Besprechungen und Konferenzen haben sie es meist leichter – denn was sie sagen, hat Gewicht und wird kaum angezweifelt. Die Folge sind sanftes Nicken und stille Bewunderung.

Nun braucht man für solche Auftritte nicht nur eine gute Portion Extraversion, sondern auch eine Menge Selbstbewusstsein. Doch laut einer neuen Studie kann es sogar hilfreich sein, sich und seine Fähigkeiten selbst völlig zu überschätzen.

Die beiden Ökonomie-Nobelpreisträger Daniel Kahneman und Amos Tversky nannten dieses Phänomen den Overconfidence-Effekt. Demnach gehen Menschen häufig davon aus, dass sie mehr wissen und mehr können, als das tatsächlich der Fall ist – in allen möglichen Lebenslagen.

Hybris hat Vorteile

Das klingt zunächst mal weniger sympathisch, aber Hybris hat Vorteile. Wir wollen vor uns selbst gut dastehen, an unsere Fähigkeiten glauben und unser Selbstbewusstsein stärken. Wer fest davon ausgeht, ohnehin einen Unfall zu bauen, würde sich vermutlich gar nicht erst ans Steuer setzen.

Doch jetzt haben Psychologen um Cameron Anderson von der Haas School of Business, die zur Universität von Kalifornien in Berkeley gehört, einen weiteren Nutzen der Hybris gefunden: Demnach steigert sie das Ansehen in einer Gruppe. „Eine viel zu positives Selbstverständnis hilft dabei, andere Menschen von der eigenen Kompetenz zu überzeugen.“

Für ihre Studie konzipierten Anderson und Co. insgesamt sechs Experimente mit knapp 1200 Versuchspersonen. Manche arbeiteten in Zweierteams, andere in Fünfergruppen. Mal ging es um Projekte in einem Hochschulkurs, mal um Übungen im Labor.

Bei einem davon sahen 76 Studenten eine Landkarte von Nordamerika, auf der nur Seen und Flüsse eingezeichnet waren. Darauf sollten sie nun 15 Städte lokalisieren. Keine unbedingt leichte Aufgabe. Sofort danach sollten sie ihre eigene Leistung einschätzen, und zwar einerseits im Vergleich zur restlichen Bevölkerung und andererseits zu den restlichen Versuchspersonen – auf einer Skala von 1 (ganz schlecht) bis 100 (exzellent) einschätzen.

Nun taten sie sich in 38 Zweierteams zusammen und sollten erneut eine geographische Aufgabe lösen. Im Anschluss sollten sie wieder ihre eigene Leistung einschätzen, aber auch die ihres Partners. Außerdem sollten sie angeben, ob der Partner Respekt und Bewunderung verdient habe, ob er zu den Entscheidungen beigetragen oder sie sogar selbst getroffen habe. Oder anders: ob er über einen hohen Sozialstatus verfügte.

Und siehe da: Personen mit hoher Selbstüberschätzung wurden von ihren Partnern nicht nur kompetenter bewertet. Sie hatten in den Zweierteams auch mehr Macht und Einfluss auf die Entscheidungen.

Henne-Ei-Frage

Es ist schon irgendwie kurios. Gerade die Freiwilligen, die ihre eigene Leistung vollkommen überschätzten, zeigten jene Verhaltensweisen, die andere Personen als Indiz für besondere Kompetenz auffassen. Sie waren selbstbewusst, entscheidungsfreudig, kommunikativ – und vielleicht sogar ein Stück weit manipulativ.

Doch der Mechanismus funktionierte auch umgekehrt: Wer ein besonderes Bedürfnis nach Ansehen und Prestige hatte, überschätzte sich viel eher. Offenbar neigen Menschen dazu, sich selbst falsch einzuschätzen, um andere von ihren Fähigkeiten zu überzeugen.

Und so findet die Studie von Anderson und Co. auch eine Antwort auf die alte Henne-Ei-Frage. Schon lange fragen sich Forscher, ob Menschen erst in einer bestimmten Position Hybris entwickeln oder ob sie diese Position nur ergattern, weil sie über Hybris verfügen. „Sowohl als auch“, meint Anderson. „Ein höherer Rang führt vermutlich zu falscher Selbstwahrnehmung. Aber Personen mit falscher Selbstwahrnehmung ergattern diesen Rang ohnehin häufiger.“

Quelle:
Cameron Anderson et al (2012). A Status­‐Enhancement Account of Overconfidence. Journal of Personality and Social Psychology

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