Keine Frage, Missgunst ist kein schönes Gefühl. Doch US-Wissenschaftler zeigen jetzt in einer neuen Studie: Neid hat auch Vorteile – er steigert unsere Aufmerksamkeit und Konzentration. Zumindest kurzfristig.
„Die neidischen Menschen sind doppelt schlimm dran“, befand schon der griechische Philosoph Hippias, „sie ärgern sich nicht nur über das eigene Unglück, sondern auch über das Glück der andern.“ Eine ebenso kurze wie treffende Zusammenfassung.
Wohl so ziemlich jeder empfand schon mal Neid. Und zwar dann, wenn jemand etwas besitzt, das wir auch gerne besäßen – sei es etwas Körperliches (schlanke Taille, Waschbrettbauch) oder Materielles (Haus, Auto, Boot). Je wichtiger uns etwas ist, desto größer unser Neid. Der bringt eine ganze Reihe Emotionen mit sich: Dann fühlen wir uns minderwertig, bemitleidenswert und unfair behandelt, halten diese Gefühle aber meistens verborgen. Und so richten sie ihren Schaden im Stillen an.
Keine Frage, Neid lässt sich auch produktiv nutzen – wenn er uns dazu antreibt, noch mehr zu geben und uns stärker anzustrengen. Doch je neidischer wir werden, desto eher verdirbt Missgunst den Charakter, macht missgünstig und rachsüchtig. Wir gönnen dem anderen noch nicht mal das Haar in der Suppe.
Aber was passiert genau mit uns, wenn wir neidisch sind? Warum gibt es so ein vermeintlich schädliches Gefühl wie Neid überhaupt noch? Hat Neid womöglich sogar mehr Vorteile als viele denken? All diesen Fragen widmete sich jetzt ein Forscherteam um Sarah Hill, Psychologin an der Texas Christian Universität in Fort Worth. In ihrer Studie (.pdf), die vor Kurzem in der Oktober-Ausgabe der Fachzeitschrift „Journal of Personality and Social Psychology“ erschienen ist, widmete sie sich mit einigen Kollegen den mentalen Folgen von Neid.
In insgesamt vier Experimenten wollte sie herausfinden, ob und wie sich Neid auf die geistige Leistungsfähigkeit auswirkt. Für den ersten Versuch teilte Hill 69 Studenten (42 Männer, 27 Frauen) in zwei Gruppen. Die eine Hälfte sollte zehn Minuten lang über ein Ereignis schreiben, in der sie auf einen Freund oder Bekannten neidisch gewesen waren. Die andere Hälfte sollte von einer alltäglichen Aktivität berichten. Der Sinn der Sache: Die eine Hälfte wurde dadurch auf das Gefühl des Neids „geprimed“, also sozusagen emotional in diese Lage zurückversetzt. Die andere blieb neutral.
Nach dem Kurzaufsatz bekamen alle Teilnehmer zwei fiktive Interviews von Studenten zu lesen, in denen diese Auskunft über ihren Namen, ihr Hauptfach und ihre Zukunftspläne gaben. Für die Lektüre konnten sich alle soviel Zeit lassen wie sie wollten. Nun wurden die Probanden mit einer Zwischenaufgabe abgelenkt (sie sollten Zeichentrickfilme bewerten), und dann stellte Hill ihnen die letzte Herausforderung: Sie mussten spontan beantworten, wie viele der Angaben aus dem Interview sie sich gemerkt hatten.
Ergebnis: Wer zuvor auf Neid „geprimed“ worden war, verbrachte nicht nur 20 Prozent mehr Zeit mit der Lektüre – er hatte sich auch etwa 30 Prozent mehr Angaben gemerkt als die anderen Probanden. Allein durch die Tatsache, dass sie sich an eine Situation voller Neid erinnerten, schenkten sie den anderen Studenten mehr Aufmerksamkeit – ohne dass diese irgendetwas gesagt hätten, was die Missgunst der Probanden förderte.
In den beiden folgenden Experimenten war das Resultat ähnlich. Zwar präsentierten die Wissenschaftler den Probanden nun Interviews mit Gleichgeschlechtlichen, die ihren Neid nun tendenziell steigerten. Die weiblichen Probanden sahen besonders hübsche Frauen, die männlichen besonders reiche Männer; doch wieder war die Reaktion dieselbe: Neid erhöhte die Aufmerksamkeit und Konzentration. Kurzfristig jedenfalls.
Langfristig jedoch schlägt Neid uns eher aufs Gemüt, weil dadurch mentale Ressourcen verschwendet werden. So lautete das Resultat des letzten Versuchs. Hier sollten die Probanden eine schwierige Denksportaufgabe lösen – doch diesmal gaben die neidischen Studenten schneller auf und erzielten schlechtere Ergebnisse.
Offenbar wurden sie Opfer der so genannten „Ego-Depletion“-Theorie. Dahinter steckt eine Entdeckung von Roy Baumeister, Psychologieprofessor an der Florida-State-Universität. Er konnte in verschiedenen Studien zeigen: Je mehr Willenskraft wir für eine Aufgabe aufwenden, desto mehr Energie verbrauchen wir – bis der geistige Tank irgendwann leer ist. Dank Sarah Hill wissen wir jetzt: Dasselbe passiert auch bei Neid. Kurzfristig mag er nützlich sein – aber langfristig schadet er eher.
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