Ob Geld den Charakter verdirbt? Unklar. Doch eine neue Studie zeigt, dass sich Geld auf die Einstellung auswirkt: Wer sich gedanklich mit Geld auseinandersetzt, verteidigt die Marktwirtschaft eher – und nimmt soziale Ungleichheit lieber in Kauf.
Im Jahr 2007 durchsuchten die mexikanischen Behörden das Haus von Zhenli Ye Gon, einem Geschäftsmann asiatischer Herkunft. Er wurde verdächtigt, mit einem Drogenkartell zusammenzuarbeiten. Bei der Razzia stießen die Fahnder auf eine unfassbare Summe Geld: 206 Millionen US-Dollar. In bar. Das meiste davon in 100-Dollar-Scheinen.
Man kann sich gut vorstellen, dass die Polizisten ihren Augen kaum trauten und von ihrer Entdeckung nachdrücklich beeindruckt waren. Kaum auszudenken, was man mit diesem Geld alles Sinnvolles anstellen könnte.
Doch es bedarf längst nicht einem ganzen Zimmer voller Scheine, um bei uns geistige Spuren zu hinterlassen. Es reicht bereits, an Geld zu denken – und schon ändert sich unsere Einstellung. „Geld hat unheimliche Macht über unser Verhalten“, schreibt Eugene Caruso von der Universität von Chicago in einer neuen Studie, „und auch über unsere Ansichten.“
Es wird wohl niemand bestreiten, dass es auf der Welt, vorsichtig ausgedrückt, nicht ganz gerecht zugeht. Vereinfacht gesagt: Reichtum und Wohlstand sind ungleich verteilt. Einige wenige haben enorm viel Geld, viele andere jedoch wenig bis gar nichts.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Die einen glauben trotzdem weiterhin an die Fairness und die Vorteile des freien Marktes und nehmen in Kauf, dass es dabei nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer gibt. Motto: „So ist nunmal das Leben.“ Die anderen halten das System für unfair, weil die Zahl der Verlierer die Zahl der Gewinner bei weitem übersteigt. Kurzum: Sie wollen etwas gegen die soziale Ungleichheit tun. Die Marktgläubigen akzeptieren sie einfach.
Keine unbedingt sympathische Einstellung – aber eine, die durch Geld befördert wird. Zu diesem Fazit kam Caruso in insgesamt fünf Experimenten. Dabei teilte er die Freiwilligen vorab immer in zwei Gruppen. Die eine Hälfte beschäftigte sich gedanklich mit Geld. Mal sahen sie das Bild eines 100-Dollar-Scheins, mal sollten sie Puzzle lösen, in denen finanzielle und monetäre Begriffe vorkamen. Die andere Hälfte der Probanden blieb gedanklich neutral.
Nun bekamen alle diverse Fragebögen vorgelegt, in denen sie ihre Ansichten offenbaren sollten – ob sie die Marktwirtschaft für fair hielten und ob das Sozialsystem der USA gerecht sei; ob Menschen ihre Notlage meist selbst zu verschulden hätten; und ob sie glaubten, dass manche Menschen anderen schlicht überlegen seien. Und siehe da: Die beiden Gruppen antworteten völlig unterschiedlich.
Wer sich gedanklich mit Geld beschäftigt hatte, war überzeugter von den Vorteilen des freien Marktes und glaubte eher, dass Menschen ihr Schicksal selbst in den Händen hätten. Dass dabei zwangsläufig soziale Ungleichheit entsteht, nahm jene Gruppe in Kauf. Denn sie ging ja davon aus, dass jeder seines Glückes Schmied sei. Wenn das nicht klappt – Pech gehabt.
Diese Attitüde führt Caruso auf die Konfrontation mit Geld zurück. Dies sei nunmal das Symbol für Marktwirtschaft schlechthin. Wer Geld ausgesetzt wird, der neige dazu, das vorherrschende System zu verteidigen – und gehe davon aus, dass es auf der Welt und den Märkten gerecht zugehe.
Quelle:
Eugene Caruso et al (2012). Mere Exposure to Money Increases Endorsement of Free-Market Systems and Social Inequality. Journal of Experimental Psychology: General.
Bitte, gerne.
Toll, vielen Dank fürs Aufzeigen.