Es ist immer einfacher, etwas anzufangen als es zu Ende zu bringen. Zwei Forscherinnen appellieren daher in einer neuen Studie: Entscheidend ist unsere eigene Einstellung.
Am Wochenende wollte ich ausmisten. Voller Elan stapfte ich in den Keller und schleppte alte Kisten nach oben. Dort öffnete ich jede Kiste und fing an zu sortieren, olle Unterlagen ins Altpapier, unbrauchbare Klamotten in einen Altkleidersack. Zuerst lief es ganz gut, doch nach einer guten Stunde merkte ich, wie meine Motivation langsam nachließ. Ich schaltete den Computer an, surfte ein Weilchen durchs Netz, und irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf Ausmisten. Das Ende vom Lied: Jetzt steht das Wohnzimmer voller Kisten – weil ich mittendrin das Ziel aus den Augen verloren hatte.
Ich wette, Sie kennen das. Wir nehmen uns etwas fest vor, doch unsere Pläne scheitern regelmäßig, in sämtlichen Lebenslagen. Der eine bringt die Diät nicht zu Ende, der andere schludert bei seinem Sparplan, wieder andere fangen erneut an zu rauchen. Da stellt sich die Frage: Können wir irgendetwas tun, um unsere Disziplin zu stärken und unsere Ziele leichter zu erreichen? Eine Antwort haben jetzt zwei Wissenschaftlerinnen in einer Studie (.pdf) gefunden, die in der Oktober-Ausgabe des Fachmagazins „Journal of Consumer Research“ erscheinen wird.
Gratis-Sushi
Minjung Koo (Universität Seoul) und Ayelet Fishbach (Universität Chicago) konzipierten dafür vier verschiedene Experimente. Das erste führte sie in ein Sushi-Restaurant, in dem sie über einen Zeitraum von vier Monaten Bonuskarten an knapp 1000 Gäste verteilten. Der Köder: Wer zehn Mal das Mittagsmenü bestellte, bekam das elfte Essen umsonst.
Allerdings hatten die Forscherinnen zwei unterschiedliche Versionen des Kärtchens entworfen. Die einen bekamen einen zusätzlichen Stempel pro Mittagessen, die anderen mussten zehn Punkte auf der Karte freirubbeln – einen pro Lunch. Mit anderen Worten: Bei der einen Gruppe lag der Fokus auf dem erzielten Fortschritt, der anderen hingegen wurde deutlich vor Augen geführt, wie viele Punkte sie noch ergattern mussten. Eine Art geistiger Countdown also.
Als Koo und Fischbach die Ergebnisse auswerteten, bemerkten sie einen erstaunlichen Unterschied. Ob die Bonuskarte gewirkt hatte, war vor allem abhängig vom ersten Restaurantbesuch. Hatten die Gäste dabei viel Geld ausgegeben, etwa indem sie mit mehreren Personen speisten, dann waren die „Countdown-Kärtchen“ effektiver. Hatten sie hingegen beim ersten Besuch nur wenig Geld ausgegeben, dann kamen sie umso eher wieder, wenn sie auf der Karte bereits Punkte ergattert hatten.
Dieser Mechanismus zeigte sich auch in drei weiteren Versuchen, für die Koo und Fischbach ins Labor wechselten. In einem Experiment sollten die Teilnehmer acht Durchgänge von Rätseln lösen, doch mittendrin unterbrachen sie die Übung. Gruppe A erfuhr nun, wie viel sie bereits geschafft hatten. Den einen wurde vorgegaukelt, dass sie erst 20 Prozent erledigt hatten. Den anderen wurde gesagt, dass sie bereits 80 Prozent hinter sich hatten.
Gruppe B hingegen erfuhr, wie viel noch zu tun war. Den einen wurde suggeriert, dass noch 20 Prozent übrig seien, die anderen gingen von 80 Prozent Rest aus. Die Kontrollgruppe C erfuhr schlichtweg, wie weit sie wirklich waren.
Nun reichten Koo und Fischbach allen Probanden einen weiteren Test und sagten ihnen, dieser diene gewissermaßen als geistige Zwischenmahlzeit, sofort im Anschluss gehe es wieder an die eigentliche Aufgabe. Der Sinn der Sache: Die Forscherinnen wollten testen, wie schnell die Probanden diese Zwischenübung erledigten – ein Indiz dafür, wie sehr sie sich auf den letzten Teil des Experiments freuten. Und siehe da: Wieder zeigte sich die Macht des Fortschrittsprinzips, denn die Unterschiede waren tatsächlich beträchtlich.
Blicken wir zunächst auf die Gruppe, die glaubte, dass sie noch nicht besonders weit war: Wem gesagt wurde, dass er bereits 20 Prozent geschafft habe, brauchte für die Zwischenübung 43 Sekunden. Jene hingegen, die noch 80 Prozent vor sich hatten, benötigten 65 Sekunden – ein Unterschied von 50 Prozent! Die Kontrollgruppe brauchte mit 56 Sekunden ebenfalls wesentlich länger.
Und auch jene Probanden, die sich schon fast im Ziel wähnten, arbeiteten unterschiedlich schnell. Wer nur noch 20 Prozent übrig hatte, erledigten die Aufgabe in 42 Sekunden. Wer bereits 80 Prozent geschafft hatte, brauchte hingegen 52 Sekunden. Immerhin eine Differenz von 25 Prozent.
Das Phänomen der kleinen Fläche
Die Wissenschaftlerinnen bezeichnen dieses Phänomen als „Kleine-Fläche-Hypothese“ (small area hypothesis). Und die funktioniert so: Um ein Ziel zu erreichen und motiviert zu bleiben, suchen wir uns gewisse Anker, an denen wir uns orientieren können. Und dabei richten wir uns am liebsten nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Wir fokussieren uns entweder auf den schon zurückgelegten Weg oder die noch verbleibende Strecke – und welche Perspektive sinnvoller ist, hängt von unserem Fortschritt ab.
Am Anfang des Weges, wenn das Ziel noch in weiter Ferne liegt, ist es motivierender, sich an bereits erzielte Leistungen zu erinnern. Ist das Ziel bereits in Sichtweite, sollten wir uns stattdessen auf den Rest des Weges konzentrieren – da der geringer ist als die zurücklegte Strecke.
Quelle:
Minjung Koo und Ayelet Fishbach (2012). The Small-Area Hypothesis: Effects of Progress Monitoring on Goal Adherence. Journal of Consumer Research.
Hi Daniel,
Alles sinnvolle Experimente
Der Plan – Ziele-Unterziele-Unterunterziele ist wahrscheinlich sowie der beste
Ich finde SELBSTDISZIPLIN am wichtigste im Bereich Ziele! (eigentlich überall).
DANKE