Routinen sind besser als ihr Ruf

Wer immer nur dasselbe macht, riskiert angeblich Langeweile und Ödnis. Doch jetzt zeigt eine neue Studie: Wiederholte Erfahrungen sind besser als ihr Ruf.

Es gibt Menschen, die jedes Jahr am selben Ort Urlaub machen – und dann gibt es Menschen, die diese Art der Ferienplanung für einen absoluten Albtraum halten. „Das Leben ist zu kurz, um immer an denselben Ort zu fahren“, sagen sie. Und irgendwie haben sie damit ja auch recht. Wer immer alles beim Alten lässt und nie etwas Neues erlebt, der riskiert Langeweile, Abstumpfung und Eintönigkeit.

Wie schlecht das Image von Gewohnheiten ist – und wie unberechtigt dieser negative Ruf gleichzeitig ist – zeigt nun eine Studie von Ed O’Brien von der Universität von Chicago. „Viele wiederholte Erfahrungen sind angenehmer, als man denkt“, schreibt O’Brien darin. Und zwar aus zwei Gründen: Die Wiederholung schafft unter Umständen mehr Freude – und verursacht weit weniger Qualen.

O’Brien konzipierte für seine Studie insgesamt sieben Experimente mit knapp 3400 Probanden. Egal ob es darum ging, ein Museum erneut zu besuchen, einen Film noch mal zu schauen oder ein Computerspiel ein weiteres Mal durchzuspielen: Jedes Mal glaubten die Probanden, dass die Wiederholung ziemlich öde werden würde. Doch jene, die tatsächlich ein zweites Mal durchs Museum gingen, den Film schauten oder zockten, hatten dabei wesentlich mehr Freude als gedacht.

Warum? Beim erneuten Besuch des Museums fallen uns plötzlich andere Gemälde auf als beim ersten Mal, bei der abermaligen Visite eines Ferienortes entdecken wir neue Orte, beim Computerspiel andere Tricks. Mit dem Ergebnis, dass die vermeintliche Wiederholung gar nicht mehr so überholt wirkt, sondern neue Erfahrungen bringt. „Wenn Menschen eine Wiederholung nur deshalb vermeiden, weil sie fürchten, dass das Vertraute nichts mehr zu bieten hat“, schreibt O’Brien, „dann entgeht ihnen vielleicht etwas.“

O’Brien zufolge liegt das vor allem an einem Missverständnis. Nach einem Erlebnis gehen wir fälschlicherweise davon aus, dass wir wortwörtlich „alles gesehen haben“ – und unterschätzten den Reiz der Wiederholung.

Quelle:
Ed O’Brien (2019). Enjoy it again: Repeat experiences are less repetitive than people think. Journal of Personality and Social Psychology, Band 116, Nummer 4, Seite 519-540