Die meisten Menschen werden gerne von Personen berührt, die ihnen mehr oder weniger sympathisch sind. Aber was passiert bei solchen Berührungen im Gehirn? Eine neue Studie hat es herausgefunden.
Herzen, Kraulen, Krabbeln und Streicheln, Tätscheln, Schmusen oder Liebkosen – es gibt viele Synonyme für zärtliche Hautkontakte. Ebenso viele Erkenntnisse haben Wissenschaftler in den vergangenen Jahren über die Macht von Berührungen zusammengetragen. Kein Wunder: Berührungen sind die erste Sprache, die wir lernen, und sie bleibt uns ein Leben lang erhalten.
Aber was genau passiert im Gehirn, wenn uns jemand berührt? Warum fühlen wir uns bei Berührungen der einen Person wohl und angenehm – bei der anderen aber schlecht und angeekelt?
Diesen Fragen sind jetzt Wissenschaftler vom Niederländischen Institut für Neurowissenschaften in Amsterdam nachgegangen. Ein Team um den deutschen Hirnforscher Christian Keysers und seine italienische Kollegin Valeria Gazzola steckte für eine neue Studie 18 heterosexuelle Männer im Alter zwischen 21 und 31 in einen funktionellen Magnetresonanztomographen, kurz fMRT. Dieses Gerät ermöglicht es, die Aktivität im Gehirn zu messen, und zwar anhand der unterschiedlichen Durchblutung.
Nachdem die Probanden sich hingelegt hatten, näherten sich zwei verschiedene Personen: Eine attraktive Frau, am Körper ein schwarzes Abendkleid, an den Füßen hochhackige Schuhe, die sich warmherzig und freundlich verhielt. Und ein Mann in Jeans und Tank Top, der bewusst distanziert wirkte.
Diese würden ihnen nun abwechselnd zärtlich über die Beine streicheln, sagten die Wissenschaftler. Leider könnten sie das nicht mit eigenen Augen beobachten, stattdessen setzten sie den Freiwilligen spezielle Brillen auf, durch die sie das vermeintliche Geschehen angeblich live beobachten konnten. Nun zogen sich Keysers und Gazzola zurück und beobachteten die Gehirne der Probanden. Und siehe da: Diese reagierten völlig unterschiedlich.
Weibliche Streicheleinheit
Beim ersten Versuch sahen die Teilnehmer auf dem Video, dass sie von der Frau gestreichelt wurden. Beim zweiten gingen sie davon aus, dass sie vom Mann berührt wurden. Wenig überraschend: Die vermeintliche Berührung der Frau fanden sie angenehm, die des Mannes eher weniger – und das spiegelte sich auch in ihrer Hirnaktivität. Der so genannte primäre somatosensorische Cortex – ein Teil der Großhirnrinde, der haptische Eindrücke verarbeitet – reagierte bei Berührungen der weiblichen Person wesentlich stärker als bei Streicheleinheiten des Mannes.
Das Kuriose kommt erst jetzt: Die Berührungen kamen in Wahrheit immer von der Frau – selbst wenn den Probanden das Video etwas anderes vorgaukelte. Ausschlaggebend waren offenbar die Gefühle: Weil die Freiwilligen sich zu dem Mann weniger hingezogen fühlten, fanden sie dessen Berührungen auch weniger angenehm – und das spiegelte sich in ihrem Gehirn.
Bislang gingen Forscher davon aus, dass bei Berührungen zwei unterschiedliche Hirnregionen eine Rolle spielen. Die eine, ebenjener somatosensorischer Cortex, interpretiere lediglich die rein körperlichen Aspekte – beispielsweise ob wir die Berührung als schwach oder stark empfinden. Die andere Region, und zwar die Inselrinde, signalisiere hingegen die emotionale Seite – ob wir die Berührung angenehm finden oder nicht.
Die Studie zeigt erstmals: Offenbar spielt der primäre somatosensorische Cortex auch bei den emotionalen Aspekten eine Rolle. „Nichts in unserem Gehirn ist wirklich objektiv,“ sagt Keysers. „Unsere Empfindungen werden stark von unseren Gefühlen beeinflusst.“ Keysers und Gazzola müssen es selbst am besten wissen: Sie sind seit einigen Jahren verheiratet.
Quelle:
Valeria Gazzola, Christian Keysers et al (2012). Primary somatosensory cortex discriminates affective significance in social touch. Proceedings of the National Academy of Sciences.
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