Wissen schützt vor Torheit nicht, ganz im Gegenteil. Eine neue Studie zeigt, dass wir uns von Äußerlichkeiten durchaus beeindrucken lassen – selbst wenn wir es eigentlich besser wissen müssten.
„Never judge a book by its cover“, rät eine englische Binsenweisheit. Stattdessen sollen wir uns erst dann eine Meinung bilden, wenn wir das sprichwörtliche Buch gelesen haben. Oder, bezogen auf das Leben: Zuerst alles anschauen, dann urteilen.
Einerseits ist das leichter gesagt als getan, denn wir neigen häufig zu voreiligen Schlüssen und Oberflächlichkeit, fast automatisch bilden wir Vorurteile. Andererseits wird unsere Einschätzung gar nicht immer präziser, wenn wir uns vorher informieren. Unser Wissen schützt uns nicht vor Fehlschlüssen – ganz im Gegenteil.
Zu diesem Fazit kommt eine noch unveröffentlichte Studie, für die Wissenschaftler um Jesse Chandler von der Princeton Universität drei Experimente konzipierten. Im ersten Versuch reichte Chandler 100 Studenten ein dickes Buch mit einem Gewicht von knapp 500 Gramm. Doch bei der Hälfte der Probanden klebte Chandler zusätzlich noch ein verstecktes Gewicht in das Buch. Dadurch wog das Buch knapp 700 Gramm.
Nun bekam jeweils die Hälfte beider Gruppen die Vorderseite des Buchs zu Gesicht, sie sah also nur den Buchtitel und den Namen des Autors. Die andere Hälfte durfte die Rückseite anschauen, wo der Klappentext eine kurze Zusammenfassung des Buchs lieferte. Mit anderen Worten: Die zweite Gruppe konnte sich zumindest einen groben Eindruck über das Werk verschaffen. Den Teilnehmern war zwar nicht verboten, in das Buch hineinzuschauen, aber niemand tat es.
Im Anschluss sollten alle auf einer Skala angeben, ob sie das Buch gerne lesen würden (1: auf keinen Fall, 10: unbedingt), wie viel Geld sie dafür ausgeben würden und ob sie glaubten, dass das Buch die Bestsellerlisten stürmen würde (1: auf keinen Fall, 10: bestimmt)
Die Ergebnisse habe ich Ihnen grafisch aufbereitet (siehe Grafiken). Wie Sie sehen können, unterschieden sich die Angaben der Vorderseite-Gruppe kaum voneinander – ganz im Gegenteil zu jenen, die auch die Rückseite betrachten durften. Sie wollten das Buch viel lieber lesen, mehr dafür bezahlen und glaubten stärker an dessen Erfolg, wenn Chandler das Gewicht heimlich erhöht hatte.
Nun könnte man das Resultat darauf zurückführen, dass das Buch ziemlich unbekannt war. Deshalb wählte Chandler für den zweiten Versuch einen echten Klassiker: „Der Fänger im Roggen“ von J.D. Salinger. Wieder reichte er einem Teil der Probanden das Buch inklusive verstecktem Gewicht und fragte alle, für wie einflussreich sie das Werk hielten. Zwar machten die Freiwilligen hier generell höhere Angaben, wenn sie das Buch bereits gelesen hatten. Doch jene, die das künstlich dickere Werk in Händen hielten, empfanden das Buch sogar noch einflussreicher.
Offenbar lassen wir uns von Äußerlichkeiten durchaus beeindrucken – aber nur dann, wenn wir schon eine gewisse Vorahnung haben. Denn solche oberflächlichen Sinneseindrücke können uns nur dann beeinflussen, wenn wir bereits über ein paar Informationen verfügen.
Und hier liegt gleichzeitig auch eine latente Gefahr: Offenbar schützt uns Wissen nicht davor, auf äußere Eindrücken hereinzufallen. Das gefühlte Gewicht eines Buchs hat ja streng genommen nur rein metaphorische Relevanz, sagt aber über den Inhalt nichts aus, schon gar nicht über die Qualität – und trotzdem lassen wir uns vom Gewicht manipulieren. Weil wir glauben, dass sich hinter dem dicken Schmöker eher ein Klassiker verbirgt als hinter einem dünnen Buch. So kann man sich täuschen.
Quelle:
Jesse Chandler, David Reinhard, Norbert Schwarz. To judge a book by its weight you need to know its content: Knowledge moderates the use of embodied cues. Journal of Experimental Social Psychology (in press).
RT @danielrettig: Schwer beeindruckt – Wissen schützt vor Torheit nicht http://t.co/Y4eQUZq9 #psychologie
@rudimentor: Da hast du etwas falsch verstanden. Die Studie zeigt, dass wir uns selbst dann von Äußerlichkeiten beeindrucken lassen, wenn wir es eigentlich besser wissen müssten oder könnten.
Ich frage mich, wer ernsthaft bestreiten wollte, dass wir uns von Äusserlichkeiten beeindrucken lassen. Captain Obvious lässt grüßen
Interessant: Schwer beeindruckt – #Wissen schützt vor Torheit nicht. Alltagsforschung.de http://t.co/JqTa4jmX #Forschung
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