Seelischer Ballast – Gewicht auf den Schultern beeinflusst das Verhalten

Schuldgefühle empfinden wir bildlich gesprochen als seelischen Ballast. Doch diese Metapher wirkt auch andersherum: Ein höheres Gewicht auf den Schultern führt zu stärkerem Schuldgefühl – und beeinflusst das Verhalten.

Jeder kennt sie. Immer dann, wenn wir wir etwas falsch gemacht haben; wenn wir gegen Regeln verstoßen haben, egal ob juristischer, ethischer oder moralischer Natur, dann überkommen uns Schuldgefühle.

Häufig haben wir dann ein schlechtes Gewissen. Oder bildlich gesprochen: Wir fühlen eine Last auf unseren Schultern. „Denn meine Sünden schlagen mir über dem Kopf zusammen, sie erdrücken mich wie eine schwere Last“, heißt es schon in Psalm 38 des Alten Testaments.

Doch diese Metapher ist offenbar mächtiger als bislang gedacht. Gewicht auf unseren Schultern kann mitunter das Gewissen beeinflussen – und sogar das Verhalten manipulieren. So lautet das Ergebnis einer Studie, die bald im „Journal of Experimental Psychology“ erscheint.

Wissenschaftler um Maryam Kouchaki von der Harvard Universität konzipierten dafür vier Experimente. In einem teilte sie 30 Studenten in zwei Gruppen. Alle erhielten einen Rucksack. Doch jener von Gruppe A wog etwa sechs Kilogramm, der von Gruppe B nur zwei Kilo. Nun schnallten sie den Rucksack um und setzten sich auf einen Stuhl.

Jetzt sollten sie einen kurzen Aufsatz über eine Situation schreiben, in der sie sich schuldig gefühlt hatten. Außerdem sollten sie ihre momentane Stimmung angeben und auf einer Skala von eins bis fünf ankreuzen, wie schlecht gerade ihr Gewissen war. Und siehe da: Jene Teilnehmer mit dem schweren Rucksack fühlten sich etwa doppelt so schuldig.

Die folgenden Experimente lieferten ähnliche Resultate. Immer hatte ein Teil der Probanden wesentlich mehr Gewicht auf dem Rücken – und genau jener Teil hatte angesichts der Missetaten ein schlechteres Gewissen. Doch das war längst nicht alles.

Nach der Schreibaufgabe stellte Kouchaki alle Teilnehmer vor verschiedene Entscheidungen. Und dabei bemerkte sie: Freiwillige mit schwereren Rucksäcken benahmen sich anders. Die einen wählten häufiger langweilige als spaßige Aufgaben, die anderen wollten lieber einen gesunden Snack statt leckerer Schokolade, wieder andere verhielten sich in einem Spiel ehrlicher und logen weniger. Beinahe so, als wollten sie sich selbst bestrafen, für ihre Missetaten büßen und nun besonders korrekt handeln.

Die Studie reiht sich ein in die jüngsten Erkenntnisse der „Embodied Cognition“. Frei übersetzt bedeutet das so viel wie „verkörperlichtes Denken“. Diverse Untersuchungen legen nahe, dass selbst subtile physische Erfahrungen die Gefühle beeinflussen. Erst vor wenigen Monaten konnte eine kanadische Psychologin zeigen, dass Menschen weniger Schmerz empfinden, wenn sie eine dominante Körperhaltung einnehmen.

Offenbar hängen die Empfindungen unseres Körpers eng mit den Gefühlen unseres Geistes zusammen. Das kann sogar unser Verhalten prägen. Und die Studie von Kouchaki zeigt: Da wir Schuldgefühle sprichwörtlich als seelische Last empfinden, erhöht das Gewicht auf den Schultern die Sensibilität für moralisch, ethisch oder juristisch verwerfliches Verhalten – und macht es umso wahrscheinlicher, dass wir uns danach besser benehmen.

Quelle:
Maryam Kouchaki, Francesca Gino und Ata Jami. The Burden of Guilt: Heavy Backpacks, Light Snacks, and Enhanced Morality. Journal of Experimental Psychology: General

4 Kommentare

  1. Da bekommt mein plötzlich eine Ahnung davon warum soviele Machthaber beginnen sich daneben zu benehmen… Ihnen wird wohl zuviel Balast abgenommen. Ob es helfen würde, wenn jeder Präsident sein Büro selbst putzen muss?

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