Straßenkämpfer – Das Fußgänger-Aggressivitäts-Syndrom

Regen Sie sich ständig über langsame Passanten auf? Platzt Ihnen regelmäßig fast der Kragen, wenn Ihnen Trödler in der Fußgängerzone den Weg versperren? Dann leiden Sie womöglich unter dem Fußgänger-Aggressivitäts-Syndrom.

Auf der Internetplattform Studivz gibt es eine Gruppe namens „Tourette-Syndrom beim Autofahren“. Der Name soll, ohne die tatsächlichen Tourette-Kranken zu verspotten, auf die plötzliche Wut beim Autofahren anspielen, etwa bei langen Staus, langsamen Fahrern auf der mittleren Spur oder lästigen Rotphasen.

Aber für die Rage im Straßenverkehr brauchen Sie gar kein Auto – auch Fußgänger sind von plötzlichen Ausrastern betroffen. Sie reagieren genervt, wenn Leute vor ihnen trödeln oder ihnen gleich den Weg versperren. Je eiliger sie es haben, desto starker schwillt ihnen der viel zitierte Kamm.

Ob Sie es glauben oder nicht – Wissenschaftler haben dem Phänomen sogar einen Namen gegeben: „Sidewalk rage“, was übersetzt so viel heißt wie Bürgersteig-Ausraster.

Einer der Forscher, die sich mit dem Phänomen beschäftigen, ist Jerry Deffenbacher. Den Professor von der Colorado State Universität interessiert vor allem eine Frage: Wer bleibt auf dem Gehweg gelassen, wer verliert die Contenance?

Aus psychologischer Sicht steckt dahinter laut Deffenbacher eine falsche Denkweise. Wer auch als Fußgänger ständig drängelt und eilt, hat eine genaue Vorstellung davon, wie seine Mitmenschen sich verhalten sollten – gewissermaßen eine Art Kodex. Dazu gehört: Wer langsam geht, hält sich rechts. Auf der Rolltreppe gilt: Rechts stehen, links gehen. Verstöße gegen diesen Kodex führen bei den Hektikern sofort zu innerer Aufruhr – bis hin zum Wutausbruch.

Das Fußgänger-Aggressivitäts-Syndrom

Leon James, Psychologieprofessor an der Universität von Hawaii, hat sogar Kriterien entwickelt, an denen sich das „Fußgänger-Aggressivitäts-Syndrom“ bemessen lässt. Dazu gehören unter anderem folgende zehn Verhaltensweisen:

1. Sie schimpfen innerlich über andere Fußgänger.

2. Oder äußern Ihren Unmut sogar hörbar.

3. Langsamere Passanten überholen Sie und schneiden ihnen danach absichtlich den Weg ab.

4. Für Sie gleicht der Gang durch die Fußgängerzone einem Wettkampf.

5. Dementsprechend gehen Sie meist mit grimmigem und/oder genervtem Gesichtsausdruck durch die Stadt.

6. Sie fühlen sich in Menschenmassen gestresst und verlieren schnell die Geduld.

7. Weil Sie ohnehin mit viel höherem Tempo gehen als alle anderen.

8. Jemandem ausweichen kommt Ihnen selten in den Sinn.

9. Daher rempeln Sie öfter mal Passanten an.

10. Aber „Entschuldigung“ sagen Sie nicht.

All diese negativen Gedanken und Handlungen sollen dabei helfen, Wut abzubauen. Das Problem ist nur: Kurzfristig mag das helfen – aber langfristig bringt es gar nichts. Mehr noch: Es führt nur dazu, dieses Verhalten zu verankern – so dass man in solchen Situationen immer mit Aggressivität, Hass und Zorn reagiert.

Psychologen appellieren daher dringend daran, auch als Fußgänger unbedingt die Ruhe zu bewahren. Zugegeben, das ist leichter gesagt als getan – besonders Berufspendler sind ständig gestresst.

5 Tipps für mehr Ruhe

1. Atmen Sie tief durch und versuchen Sie, sich zu beruhigen.

2. Denken Sie an etwas Schönes und Entspannendes – etwa Ihren letzten Strandurlaub.

3. Hören Sie Musik – aber bitte weder schnelle Housemusik noch aggressiven Hardrock. Besser: Klassik.

4. Ein interessantes Hörbuch lenkt auch gut ab.

5. Am wichtigsten finde ich persönlich aber einen Gedanken: Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass Eile und Hektik im Endeffekt nichts bringen außer Stress und Magengeschwüren. Sie kommen morgens schätzungsweise eine Minute früher im Büro an – ist es das wirklich wert?

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