Der Mensch hat es gerne bequem, Veränderungen sind ihm zuwider. Doch laut einer neuen Studie ist diese Tendenz zur Trägheit so stark ausgeprägt, dass Menschen sogar körperliche Schmerzen akzeptieren.
Wenn wir eine Entscheidung getroffen haben, wollen wir uns nicht mehr umentscheiden. Lieber alles so lassen, als sich ständig neu zu orientieren und zu verändern. Bloß keine unbekannten Risiken eingehen.
Diese Tendenz zur geistigen Trägheit bezeichnen Psychologen als status quo bias. Vereinfacht gesagt bleiben wir einer Entscheidung selbst dann treu, wenn sich neue, bessere Optionen bieten.
Doch diese Neigung kann durchaus schädlich sein. Dann zum Beispiel, wenn Patienten die Ratschläge von Ärzten ignorieren; wenn Autofahrer eine teure Versicherung behalten, obwohl es günstigere Alternativen gibt; oder wenn Bankkunden ihr Geld trotz niedriger Zinsen auf dem lieb gewonnenen Sparbuch lassen. Mehr noch: Die Tendenz zum Status quo kann mitunter sogar körperliche Schmerzen verursachen.
Zu diesem Ergebnis kommt nun eine neue Studie von Gaurav Suri von der Stanford Universität. In zwei Experimenten verabreichte er knapp 100 Freiwilligen zunächst leichte Stromschläge, wobei er die Dosis von Mal zu Mal leicht erhöhte. Die Probanden sollten ihm bloß mitteilen, wann ihre Schmerzgrenze erreicht war.
Dann sagte Suri den Teilnehmern, dass sie in den kommenden Minuten genau einen solchen Stromschlag zu erwarten hätten. Allerdings teilte der Wissenschaftler sie in zwei Gruppen.
Die Mitglieder von Gruppe A bekamen zwei Knöpfe gezeigt und erfuhren: Drückten sie vor Beginn des Versuchs Knopf 1, verringerte sich die Wartezeit auf den Elektroschock um zehn Sekunden. Drückten sie Knopf 2, veränderte sich die Wartezeit nicht. Sie mussten sich allerdings vorab für einen Knopf entscheiden.
Die Mitglieder von Gruppe B hatten nur einen Knopf vor sich. Wenn sie ihn drückten, verringerte sich die Zeit bis zum Schock ebenfalls um zehn Sekunden – allerdings konnten sie diese Entscheidung jederzeit treffen, sie mussten sich nicht vorab festlegen. Sie konnten den Knopf auch komplett ignorieren, dann blieb die Wartezeit gleich.
Und siehe da: Die Teilnehmer von Gruppe A drückten Knopf 1 in knapp 75 Prozent der Fälle – jene aus Gruppe B hingegen drückten den Knopf nur zu 41 Prozent. Gruppe B entschied sich demnach überwiegend dazu, den Status quo zu akzeptieren und die Zeit bis zum Elektroschock abzuwarten.
Ähnlich war es im zweiten Experiment. Hier bot Wissenschaftler Suri sogar die Möglichkeit, via Knopfdruck die Wahrscheinlichkeit zu verringern, überhaupt einen Stromschlag abzubekommen. Mussten die Probanden vorher einen Knopf drücken, wählten sie diese Option in 85 Prozent der Fälle. Konnten Sie ihn freiwillig drücken und den Status quo durch Nichtstun beibehalten, entschieden sich dafür nur 52 Prozent.
Gaurav Suri erklärt sich die Ergebnisse mit der Tendenz zur Trägheit: „Menschen bevorzugen üblicherweise Passivität“, sagt der Psychologe, „deshalb entscheiden sie sich auch für jene Optionen, für die sie nichts tun müssen.“ Offenbar auch im Falle eines schmerzhaften Stromschlags.
Quelle:
Gaurav Suri et al (2013). Patient Inertia and the Status Quo Bias: When an Inferior Option Is Preferred. Psychological Science
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