Der Tod von Freunden, Verwandten oder Prominenten erinnert uns schmerzlich an unsere Vergänglichkeit. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Mit einer Antwort beschäftigte sich vor einigen Jahren die so genannte Terror-Management-Theorie.
Eines vorweg: Ich kannte Dirk Bach nicht persönlich. Vor einigen Jahren habe ich ihn mal bei einer Lesung in einem Kölner Theater erlebt. Als er nach der Veranstaltung von der Bühne ging, kamen sofort Fans zu ihm und fragten ihn nach Autogrammen. Er schrieb geduldig eines nach dem anderen und hörte erst auf, als alle Fans eines bekommen hatten.
Dann gesellte er sich zu einigen Freunden, die auf ihn gewartet hatten, und stieß mit ihnen auf den Auftritt an. Selbst aus einigen Metern Entfernung konnte man seine Lebendigkeit spüren. Ich kann mir gut vorstellen, dass er sein Leben genossen hat, zumindest wirkte er auf mich so. Ein tröstlicher Gedanke, angesichts von Bachs Tod.
Der Tod von Freunden, Verwandten oder Prominenten erinnert uns immer schmerzlich an unsere eigene Vergänglichkeit. Erst recht, wenn jemand wie Dirk Bach nur 51 Jahre alt wurde.
Der amerikanische Anthropologe Ernest Becker vertrat einst die Ansicht, dass der Gedanke an den Tod unser gesamtes Verhalten beeinflusst: „Er ist eine der Triebfedern menschlichen Handelns, eines Handelns, das hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, dem Schicksal des Todes zu entgehen oder es zu besiegen, indem wir leugnen, dass es unser aller endgültiges Schicksal ist.“
So wie andere Säugetiere auch besitzen Menschen einen natürlichen Überlebensinstinkt. Doch Ernest Becker meinte: Was uns von Affen, Hunden oder Katzen unterscheidet, ist Selbstbewusstsein. Der Mensch weiß, dass er existiert. Doch dazu gehört auch die Gewissheit, dass wir eines Tages eben nicht mehr existieren werden. Aber wie schaffen wir es, damit umzugehen? Eine Antwort darauf formulierte Anfang der Neunzigerjahre eine Gruppe von Sozialpsychologen.
Damals entwickelten Jeff Greenberg, Tom Pyszczynski und Sheldon Solomon die Terror-Management-Theorie. Seinen Ursprung hat der Begriff im lateinischen Wort „terror“ (Angst, Schrecken). Ernest Becker hatte beschrieben, wie aus unserem Selbstbewusstsein das Wissen um die eigene Sterblichkeit erwächst. Und aus diesem Bewusstsein resultiert eine lähmende Angst, also ein unangenehmer Zustand.
Nach Ansicht von Greenberg und Co. gibt es zwei symbolische Angstpuffer, die uns vor der Todesfurcht bewahren. Den ersten nannten sie kulturelle Weltsicht (cultural worldview). Sie gingen davon aus, dass Kulturen entstanden sind, um dem Leben einen Sinn zu geben und den Menschen Hoffnung zu machen auf ein Leben nach dem Tod.
Jede Kultur hat gewisse Rituale und Symbole – und wer sich daran hält, kann auf ein Leben nach dem Tod hoffen. Dieser Glaube reduziert die Furcht, die von unserer Verwundbarkeit und Sterblichkeit ausgelöst wird. Denn wir wissen: Körperlich mögen wir vielleicht verschwinden, aber die Kultur bleibt. Unsere heutige Existenz war nicht sinnlos.
Doch diese Gelassenheit kann nur erlangen, wer sich entsprechend dieser Kultur und ihren Werten verhält. Und diese Einstellung bezeichneten Greenberg und Co als Selbstachtung (self-worth). Er ist der zweite Angstpuffer gegen die Todesangst.
In den vergangenen Jahrzehnten sind Hunderte von Untersuchungen dazu erschienen, wie Menschen reagieren, wenn sie mit dem eigenen Tod konfrontiert werden. Im Jahr 2010 werteten Psychologen um Brian Burke vom Fort Lewis College für eine Studie 164 Arbeiten zur Terror-Management-Theorie aus. Deren Essenz: Wer sich den eigenen Tod vergegenwärtigt, verändert sich.
Er neigt dazu, eigene Ansichten zu verteidigen und fremde Meinungen abzulehnen. Er klammert sich stärker an bestimmte Werte und versucht, sein Selbstbewusstsein zu erhöhen. Denn dadurch sinkt die Angst vor der eigenen Vergänglichkeit.
Oder, wie der US-Schriftsteller Chuck Palahniuk einmal schrieb: „Wir alle müssen sterben. Das Ziel ist nicht ewiges Leben, sondern etwas zu erschaffen, was ewig leben wird.“
Halten wir es doch wie die Indianer: „Jage Deinen Tod“
Wer sich vor dem Tod versteckt verpasst das Leben. Wer den Tod jagt entwickelt Spass daran. Das geht natürlich besser, wenn wie bei den Indianer der Ehrenvolle Tod wichtig für die Sippe ist. Die sagen dann: „er ist einen guten Tod gestorben“ etc.
Ich finde, auch wenn wir nicht in dieser Kultur leben, verändert diese Art zu denken ebenso. Natürlich aber positiv. Sei nicht gejagter sondern werde zum Jäger.
Für die meisten Menschen (so auch noch für mich) ist der Gedanke an den Tod wahrscheinlich beängstigend, eben WEIL sie nach der Erkenntnis von Palahniuk leben und dabei die Bedenken haben, nich nicht wirklich etwas erschaffen zu haben, was nachhaltig und für die Ewigkeit ist.
Aber die begrenzte Zeit sollte zumindest die Wertschätzung dessen hochtreiben, was man schon gesehen hat an Wunderbarem – auch wenn man selbst noch nichts dergleichen erreicht hat.