Offenbar neigen Menschen vor allem dann zum Betrug, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen – unabhängig davon, wie gering die Belohnung ist.
Der eine fälscht Spesenrechnungen, der andere betuppt bei der Steuererklärung, wieder andere Klauen aus der Firmenkasse.
Immer wieder übertreten Menschen ethische und juristische Grenzen. Die Gier scheint bisweilen maßlos.
Aber warum betrügen selbst jene, die eigentlich längst genug haben? Wieso riskieren Menschen auch dann enorm viel, wenn sie vergleichsweise wenig gewinnen können?
Leslie John, Assistenzprofessorin an der Harvard Business School, hat da so eine Idee: „Unehrlichkeit ist nicht bloß das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Analyse.“ Stattdessen gelte: Wer sich unfair behandelt fühlt, neigt eher zum Lügen und Betrügen.
Zu diesem Ergebnis kam die Psychologin in einer neuen Studie. 118 Freiwilligen reichte sie einen Fragebogen mit 40 Fragen. Im Anschluss verteilte John das Lösungsblatt. Nun sollten die Probanden ihre eigene Arbeit bewerten und angeben, wie viele Fragen sie richtig beantwortet hatten. Sie spielten also Schüler und Lehrer gleichzeitig.
Zunächst versprach die Wissenschaftlerin der einen Hälfte 5 Cent pro richtiger Antwort, der anderen Hälfte winkten 25 Cent. Keine Gruppe wusste jedoch von dieser Ungleichbehandlung.
Wohlgemerkt: Die Teilnehmer konnten selbst entscheiden, ob sie wahrheitsgemäß antworteten. Behaupteten sie, richtig gelegen zu haben, bekamen sie das Geld.
Es kam, wie es kommen musste: Die 25-Cent-Gruppe gab signifikant höhere Punktzahlen an. Irgendwie logisch, immerhin winkten insgesamt zehn Dollar als Belohnung. Die Fünf-Cent-Gruppe verhielt sich wesentlich ehrlicher. Offenbar war der Anreiz zu gering, um zu Lügen.
Ganz anders war es jedoch doch in einer zweiten Runde. Hier machte Leslie John die Ungleichbehandlung transparent. Die eine Gruppe wusste also, dass die andere Gruppe für dieselbe, simple Aufgabe fünf Mal mehr Geld erhielt. Und siehe da: Nun nannte die Fünf-Cent-Gruppe wesentlich höhere Punktzahlen als die 25-Cent-Gruppe.
Offenbar neigen Menschen zum Betrug, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen – unabhängig davon, wie gering die Belohnung ist.
Das deckt sich mit der Theorie des sozialen Vergleichs (social comparison theory). Die geht zurück auf den US-Psychologen Leon Festinger und besagt gesagt, dass Menschen sich ständig mit Mitmenschen vergleichen müssen – am liebsten allerdings mit Gleichgestellten. Angestellte vergleichen sich mit Kollegen, Vorstandsvorsitzende mit anderen Chefs, Milliardäre mit anderen Superreichen.
Und wenn sie dabei feststellen, dass sie weniger besitzen, wollen sie mehr – egal wie viel sie vorher schon hatten. Koste es, was es wolle.
Der Mensch will also gar nicht immer mehr – er will bloß nicht weniger als andere.
Quelle:
Leslie John, George Loewenstein und Scott Rick (2014). Cheating more for less: Upward social comparisons motivate the poorly compensated to cheat, Organizational Behavior and Human Decision Processes, Band 123, Nummer 2, Seite 101–109
es wird immer Betrüger und immer Betrogene geben. Natur der Menschehit