Vererbter Geschmack – Warum wir die Musik unserer Eltern mögen

Eine neue Studie resümiert: Wir lieben nicht nur die Musik aus unserer eigenen Jugend – sondern auch aus der Jugend unserer Eltern. Offenbar wird Musikgeschmack vererbt.

Wissen Sie noch, welche Ihre erste Platte war? Ich gestehe: Bei mir war es „Looking for Freedom“ von David Hasselhoff. Bevor Sie sich lustig machen: Ich war damals acht Jahre alt.

Selbst wenn wir heute über unseren Geschmack von damals schmunzeln: Die Musik aus der Jugend zaubert Erwachsenen weiterhin ein Lächeln ins Gesicht. Auch deshalb, weil sie Erinnerungen weckt, an Urlaube, Partys oder verflossene Lieben. Doch die musikalische Zeitreise wird nicht nur von unseren eigenen Erlebnissen beeinflusst – sondern auch vom Geschmack unserer Eltern.

Zu diesem Ergebnis kommt jetzt die Psychologieprofessorin Carol Krumhansl von der Cornell Universität. Für ihre Studie konfrontierte sie 22 Männer und 40 Frauen, die im Schnitt 20 Jahre alt waren, mit verschiedenen Hits. Und zwar solchen, die von 1955 bis 2009 an der Spitze der amerikanischen Billboard-Charts gestanden hatten. Von „Rock Around the Clock“ von Bill Haley & His Comets aus dem Jahr 1955 bis zu „Poker Face“ von Lady Gaga aus dem Jahr 2009.

Die Freiwilligen sollten nun angeben, ob ihnen das Lied gefiel und sie es wiedererkannten, ob sie damit persönliche Erinnerungen verbanden und ob diese etwas mit ihren Eltern zu tun hatten.

Wenig überraschend: Die Ergebnisse nahmen die Form eines umgedrehten U an. Oder konkret: Liedern aus der frühen Kindheit gaben die Probanden wenig Punkte. Je älter sie zum Zeitpunkt des Liedes waren, desto mehr Punkte gaben sie.

Eine Form des Erinnerungshügels (reminiscence bump). So bezeichnen Psychologen ein Phänomen unseres Gehirns: Erwachsene erinnern sich vor allem an Ereignisse zwischen ihrem 15. und 30. Lebensjahr.

Die Gründe sind noch nicht ganz klar. Manche Forscher vertreten die Ansicht, dass wir Ereignisse der Pubertät und Jugend besser abspeichern. Andere glauben, dass unser Gehirn in dieser Phase leistungsfähiger ist. Wieder andere vermuten, dass sich währenddessen die Identität herausbildet, viele Erlebnisse aus dieser Periode enorm prägend sind und deshalb besser haften bleiben.

Doch fest steht, dass dieser Erinnerungshügel nicht nur für Erlebnisse gilt, sondern auch für Produkte, Güter und Dienstleistungen. Jahrzehnte später mögen Menschen vor allem jene Dinge, denen sie in der Jugend begegneten – egal ob Filme oder Musik.

Dieses Ergebnis konnte Krumhansl nun also bestätigen. Doch sie entdeckte noch etwas anderes. Ihre Probanden gaben auch jenen Liedern besonders hohe Punktzahlen, die zwischen 1980 und 1984 in den Charts standen. Ein Zeitpunkt also, als sie noch nicht auf der Welt waren – sehr wohl aber ihre Eltern.

Mehr noch: Mit ebenjenen Liedern verbanden sie viele Erinnerungen an Mama und Papa. Offenbar lauschten sie den Songs damals also gemeinsam. Und diese Erinnerungen, egal ob bewusst oder unbewusst, prägen die Vorlieben noch Jahrzehnte später. Musikgeschmack wird also gewissermaßen vererbt.

Quelle:
Carol Krumhansl und Justin Zupnick (2013). Cascading Reminiscence Bumps in Popular Music, Psychological Science

3 Kommentare

  1. In meinen Augen besagt die Studie vor allem, dass wir am Anfang das hören, was uns vorgesetzt wird. Das ist schon fast eine Tautologie. Natürlich treffen wir in frühester Kindheit eine Auswahl aus der Musik, die uns unsere Eltern vorspielen. Wir wissen ja noch gar nicht, dass es andere gibt. Mein Musikgeschmack hat sich jedenfalls radikal geändert, als ich erfuhr, was neben dem Gedudel meiner Eltern noch läuft, und das hat sich seitdem nicht mehr geändert.

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