Angeblich lernen Menschen vor allem aus eigenen Fehlern. Eine aktuelle Studie resümiert hingegen: Wir lernen mehr aus eigenen Erfolgen – und von den Fehlern anderer Menschen.
„Es ist gut, Erfolge zu feiern“, sagte einst der Microsoft-Gründer Bill Gates, „aber es ist wichtiger, aus Fehlern zu lernen.“ Dahinter steckt die Annahme, dass Erfolge zwar wichtig und angenehm sind; dass wir aber vor allem dann wachsen, wenn wir Fehler begehen.
Tatsächlich weisen Wissenschaftler schon seit langem darauf hin, dass Rückschläge wichtig sind, vor allem für unsere Entwicklung. Das Bad im Fettnapf lenke die Aufmerksamkeit auf vermeintliche oder tatsächliche Probleme und führe erst dazu, dass wir neue und letztlich bessere Wege gehen. Soweit zumindest die Theorie. Die Praxis sieht da schon anders aus.
Das legt zumindest eine neue Studie eines asiatischen Wissenschaftlers mit dem etwas seltsam anmutenden Namen Diwas Kc von der US-Universität Emory nahe. Gemeinsam mit seinen Kollegen Bradley Staats (Universität von North Carolina) und Francesca Gino (Harvard) analysierte er die Daten von 71 Herzchirurgen im US-Bundesstaat Massachusetts. Die Chirurgen hatten über einen Zeitraum von zehn Jahren mehr als 6500 Eingriffe im Bereich der minimal-invasiven Herzchirurgie vorgenommen. Anstatt den Patienten für eine Bypass-Operation den ganzen Brustkorb zu spalten, werden dabei die Instrumente über kleine Öffnungen in den Körper eingeführt.
Neue Technik
Die Forscher wählten diesen Bereich aus verschiedenen Gründen: Zum einen wirken sich schwere Fehler der Chirurgen besonders tragisch aus – dann nämlich, wenn die Patienten bei dem Eingriff sterben. Zum anderen gehen die meisten Krankenhäuser solchen Fehler intensiv nach – sodass die Ärzte daraus lernen können (aber nicht müssen). Und: Die minimal-invasive Herzchirurgie gibt es seit den späten Neunzigerjahren. Mit dem Datensatz konnten die Wissenschaftlern also analysieren, welche Lernkurze die Chirurgen angesichts der neuen Technik nahmen.
Dafür werteten sie aus, wie viele Patienten ein Chirurg in diesem Zeitraum operiert hatte, wann der Eingriff stattgefunden hatte und wie er verlaufen war. Dadurch konnten sie herausfiltern, ob ein Arzt nach einem Fehler noch weitere beging oder daraus lernte. Und dabei bemerkten die Wissenschaftler: Eigene Fehler führten nicht dazu, dass sich die Ärzte verbesserten. Stattdessen waren es vielmehr die eigenen Erfolge, die die Chirurgen noch besser machten und künftige Fehler weiter minimierten.
Jedoch: Die Fehler von Kollegen wirkten sich positiv auf die eigene Leistung aus. „Menschen lernen mehr aus eigenen Erfolgen als aus eigenen Fehlern“, resümiert Diwas Kc, „und mehr aus den Fehlern anderer als aus deren Erfolgen.“
Gewisse Gründe
Er begründet dieses Ergebnis mit der so genannten Attributionstheorie (attribution theory), die auf den österreichischen Psychologen Fritz Heider zurückgeht. Demnach haben Menschen das Bedürfnis, für das Verhalten anderer Menschen oder das eigene gewisse Gründe zu finden. Dabei gibt es laut Heider zwei Möglichkeiten: Entweder man sieht die Ursache bei sich selbst („internale Kausalattribuierung“) oder bei anderen Personen und Faktoren („externale Kausalattribuierung“). Und dieser Mechanismus greift auch bei Erfolgen und Misserfolgen.
Erfolge schreiben Menschen gerne sich selbst zu, weil sie sich für fähig und kompetent halten wollen. Misserfolge hingegen begründen sie lieber mit gewissen Umständen, die nicht in ihrer Macht lagen. Motto: „Ich konnte ja nichts dafür!“
Durch diese Verzerrung lernen wir weniger aus unseren eigenen Fehlern, weil wir sie gar nicht an uns ranlassen. Ganz im Gegensatz zu den Misserfolgen anderer Personen. Die schreiben wir gerne deren Unfähigkeit zu – und lernen selbst daraus.
Quelle:
Diwas Kc, Bradley Staats und Francesca Gino (2012). Learning from My Success and From Others’ Failure: Evidence from Minimally Invasive Cardiac Surgery. Harvard Business School Working Paper, Nummer 12-065.